Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung. öffentlich-rechtliches Beschäftigungsverhältnis. Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im öffentlichen Interesse liegende zusätzliche Arbeiten, die Arbeitslosengeld II-Empfänger als Arbeitsgelegenheit nach § 16 Abs 3 S 2 SGB 2 angeboten werden, begründen ein öffentlich-rechtliches Beschäftigungsverhältnis.

2. Für Streitigkeiten über Rechte und Pflichten, die sich aus im öffentlichen Interesse für zusätzliche Arbeiten begründeten Beschäftigungsverhältnissen mit Aufwandsentschädigung (Ein-Euro-Jobs) ergeben, sind die Sozialgerichte zuständig.

 

Tenor

1. Der Beschluss des Sozialgerichts Koblenz vom 19.08.2005 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Rechtsweg zu den Sozialgerichten zulässig ist. Der Rechtsstreit wird an das Sozialgericht Koblenz zurückverwiesen.

2. Die Kostenentscheidung bleibt der erstinstanzlichen Entscheidung vorbehalten.

3. Die Beschwerde an das Bundessozialgericht wird zugelassen.

 

Tatbestand

Umstritten ist, welche Gerichtsbarkeit zuständig ist. Im Hauptsacheverfahren geht es um die Rechte und Pflichten aus einer Arbeitsgelegenheit gemäß § 16 Abs 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Der Beschwerdegegnerin zu 1. wurden auf ihren Antrag hin mit Bewilligungsbescheid der Arbeitsgemeinschaft A./Agentur für Arbeit (ARGE AK) vom 15.02.2005 Leistungen zur Schaffung von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung - Zusatzjobs - nach § 16 Abs 3 Satz 2 SGB II bewilligt und genaue Vorgaben zu Art, Dauer, Höhe der Mehraufwandsentschädigung und Fahrkostenerstattung gemacht. Mit Schreiben vom 09.02.2005 teilte die Bundesagentur für Arbeit durch die Agentur für Arbeit N., Geschäftsstelle B., der Beschwerdegegnerin zu 1. mit, dass sie den Beschwerdeführer für die Tätigkeit im Rahmen der Arbeitsgelegenheit vorschlage und diesen gebeten habe, mit der Beschwerdegegnerin zu 1. einen Vorstellungstermin zu vereinbaren. Falls der vorgeschlagene Bewerber nicht den Vorstellungen der Beschwerdegegnerin zu 1. entspräche, werde um erläuternde Hinweise gebeten.

Mit Schreiben vom 21.02.2005 teilte die Beschwerdegegnerin zu 1. dem Beschwerdeführer mit, dass er nach seiner telefonischen Vorstellung nunmehr im kommunalen Bauhof der Beschwerdegegnerin zu 2. eingesetzt werden solle. Er habe sich dort zur Arbeitsaufnahme am 01.03.2005 um 07.00 Uhr einzufinden. In der Anlage wurde ihm das Angebot einer schriftlichen Vereinbarung zur Regelung des Beschäftigungsverhältnisses übersandt, die von der Beschwerdegegnerin zu 2. und dem Beschwerdeführer am 01.03.2005 unterzeichnet wurde.

Mit Schreiben vom 03.08.2005 teilte die Beschwerdegegnerin zu 1. dem Beschwerdeführer ua mit: Die innerörtlichen Einsatzorte seien fußläufig erreichbar; zu außerhalb gelegenen Einsatzorten werde er zusammen mit den örtlichen Bauhofmitarbeitern mit den vorhandenen Fahrzeugen gefahren. Die Benutzung des eigenen Pkw’s werde ausdrücklich untersagt. Bei einer Zuwiderhandlung werde das Beschäftigungsverhältnis mit sofortiger Wirkung beendet.

Der Beschwerdeführer hat am 09.08.2005 eine einstweilige Verfügung zur Feststellung, dass die Anordnung der Beschwerdeführerin zu 1. im Schreiben vom 03.08.2005 unzumutbar und rechtswidrig sei, beim Sozialgericht beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt, er benötige seinen Pkw am konkreten Einsatzort, um ausreichend Schutz gegen Regen und Gewitter zu finden und darin seine Mahlzeiten einnehmen zu können, außerdem um seine Notdurft nicht im Freien verrichten zu müssen, sondern eine Toilette aufsuchen zu können.

Mit Beschluss vom 19.08.2005 hat das Sozialgericht Koblenz den Rechtsweg zu den Sozialgerichten gemäß § 17 a Abs 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht B. verwiesen, weil es sich um ein privatrechtliches Beschäftigungsverhältnis eigener Art handele, für das der Rechtsweg vor die ordentlichen Gerichte gegeben sei.

Der Beschwerdeführer hat am 23.08.005 Beschwerde gegen den Verweisungsbeschluss eingelegt und die Zurückverweisung an das Sozialgericht Koblenz beantragt. Das Sozialgericht Koblenz hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren zur Entscheidung dem Landessozialgericht vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde gegen den Verweisungsbeschluss des Sozialgerichts Koblenz vom 19.08.2005 ist statthaft (§ 202 Sozialgerichtsgesetz - SGG -, § 17 a GVG). § 98 SGG schließt bei Rechtswegverweisung die Beschwerde nicht aus. Die Beschwerde ist auch gemäß §§ 172, 173 SGG zulässig und begründet.

Der Verweisungsbeschluss ist aufzuheben, da nach § 51 Abs 1 Nr 4 a SGG die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten entscheiden. Hier handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit.

Nach § 16 Abs 3 SGB II können für Hilfsbedürftige, die keine Arbeit finden können, Arbeitsgelegenheiten geschaffen werden. Wer...

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