Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Aussetzung der Vollziehung. ernstliche Zweifel iS des § 86a Abs 3 S 2 SGG. Künstlersozialversicherung. Künstlersozialabgabe. Auftragserteilung an eine Kommanditgesellschaft. selbständiger Künstler. Erlass des Beitragserhebungsbescheids vor Bestandskraft des Erfassungsbescheids

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ernstliche Zweifel iS des § 86a Abs 3 S 2 SGG bestehen, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (Abweichung von LSG Rheinland-Pfalz vom 25.9.2002 - L 2 ER-LW 22/02).

2. Bei Auftragserteilung an eine Kommanditgesellschaft kann eine Erteilung von Aufträgen an selbständige Künstler oder Publizisten iS des § 24 Abs 1 S 2 KSVG vorliegen.

3. Die Künstlersozialkasse muss mit dem Erlass eines Beitragserhebungsbescheides nicht bis zur Bestandskraft des vorher ergangenen Erfassungsbescheides abwarten.

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Koblenz vom 4.10.2004 aufgehoben. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 30.3.2004 und 14.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.7.2004 wird abgelehnt.

2. Die Antragstellerin trägt die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen.

3. Der Streitwert wird für das erstinstanzliche Verfahren (unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Koblenz vom 30.9.2004) und das zweitinstanzliche Verfahren mit 11.881,34 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Im Hauptsacheverfahren streiten die Beteiligten über die Beitragspflicht zur Künstlersozialversicherung. Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Verwaltungsakte, in denen dem Grunde nach die Beitragspflicht der Antragstellerin zur Künstlersozialkasse festgestellt und die Antragstellerin aufgrund einer Beitragsschätzung zur Beitragszahlung veranlagt wurde.

Die Antragstellerin ist eine Vertriebsfirma für Saatgut. Mit Bescheid vom 30.3.2004 stellte die Antragsgegnerin fest, dass die Antragstellerin ein nach § 24 Abs 1 Satz 2 Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) abgabepflichtiges Unternehmen betreibe, da sie Werbung bzw Öffentlichkeitsarbeit durchführe und zu diesem Zweck nicht nur gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten erteile. Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin Widerspruch ein.

Im Widerspruchsverfahren gab die Antragstellerin an, sie habe noch nie selbstständige Künstler beauftragt; Werbekataloge und Verkaufsverpackungen würden bei der Firma F     Deutschland KG gedruckt; diese Firma gestalte auch das Verpackungsmaterial und erledige die für die Katalogherstellung erforderlichen künstlerischen Arbeiten wie Layout und Fotodesign.

Da die Antragstellerin der Antragsgegnerin keinen ausgefüllten Meldebogen übersandte, stellte die Antragsgegnerin in ihrem Bescheid vom 14.6.2004 aufgrund einer Schätzung die Künstlersozialabgabe für die Jahre 1999 bis 2003 mit insgesamt 26.416,63 € fest. Für den Zeitraum von Januar bis Mai 2004 setzte sie gleichzeitig eine Vorauszahlung fest. Auch gegen diesen Bescheid wandte sich die Antragstellerin mit ihrem Widerspruch. Am 21.6.2004 übersandte die Antragsstellerin den Meldebogen, wonach in der Vergangenheit seit 1999 keine Entgelte für selbstständig erbrachte künstlerische oder publizistische Leistungen gezahlt worden seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.7.2004 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung hieß es: Die von der Antragstellerin vorgelegten “Nullmeldungen" könnten aufgrund fehlender Plausibilität nicht akzeptiert werden. Die Antragstellerin gebe zu Eigenwerbungszwecken Kataloge heraus. Werbefotografie sei per se künstlerische Fotografie. Die hierfür gezahlten Entgelte seien in die Bemessungsgrundlage nach § 25 Abs 1 Satz 1 KSVG einzubeziehen.

Am 30.7.2004 hat die Antragstellerin Klage erhoben und am 14.9.2004 beim Sozialgericht (SG) einen Antrag auf “Wiederherstellung" der aufschiebenden Wirkung gestellt. Mit Beschluss vom 29.9.2004 hat das SG den Streitwert mit 11.049,22 € (1/3 von 33.147,66 €) festgesetzt. Diese Festsetzung geht auf einen Vorschlag der Antragsgegnerin zurück, wonach hinsichtlich des Erfassungsbescheides vom 30.3.2004 von dem Auffangstreitwert von 4.000 € und wegen des Beitragserhebungsbescheides vom 14.6.2004 von einem Streitwert in Höhe von 29.147,66 € auszugehen sei.

Durch Beschluss vom 4.10.2004 hat das SG die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet und zur Begründung ausgeführt: Der Antrag sei zulässig und begründet. Die angefochtenen Verwaltungsakte erwiesen sich bei der hier nur möglichen summarischen Prüfung als rechtswidrig. Da die Antragsgegnerin bereits vor Eintritt der Bestandskraft des Erfassungsbescheides vom 30.3.2004 den Abgabebescheid vom 14.6.2004 erlassen habe, ohne dass festgestanden habe, ob die Antragstellerin tatsächlich zum Kreis der grundsätzlich Abgabepflichtigen gehöre, sei letzterer bereits aus diesem Grunde rechtswidrig und könne daher nicht Gegenstand der so...

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