Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss einer Anerkennung von Zeiten der Verfolgung durch das DDR-Regime als Pflichtbeitragszeiten bei einem ehemaligen Schüler der DDR

 

Orientierungssatz

1. Wurde einem ehemaligen Schüler in der DDR wegen dessen Weigerung, an der Jugendweihe teilzunehmen, die Versetzung in die nächsthöhere Klasse und damit der Schulabschluss verweigert, so sieht das Berufliche Rehabilitierungsgesetz für als verfolgte Schüler anerkannte Personen in § 3 Abs. 1 BerRehaG Maßnahmen einer bevorzugten beruflichen Fortbildung und Umschulung vor. Dagegen besteht kein Anspruch auf Anerkennung von Pflichtbeitragszeiten für Zeiten der Verfolgung. § 3 BerRehaG verweist nicht auf §§ 11, 13 BerRehaG.

2. Die gesetzliche Regelung ist verfassungsgemäß. Es verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn der Gesetzgeber für die Zuerkennung von Pflichtbeitragszeiten zwischen Personengruppen, welche eine berufsbezogene Ausbildung begonnen haben, und Schülern differenziert.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 31.03.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt - im Ergebnis - die Anerkennung von Zeiten der Verfolgung durch das DDR-Regime als Pflichtbeitragszeiten.

Die am 00.00.1943 geborene Klägerin besuchte bis zum Ende der siebten Klasse die Schule in der DDR. Die Klägerin weigerte sich, an der Jugendweihe teilzunehmen. Eine Versetzung in die Klasse acht erfolgte nicht. Auch in ihrem späteren Erwerbsleben gelang es der Klägerin nicht, eine weitere Ausbildung bzw. einen höheren Abschluss zu erwerben.

Das Landesamt für Soziales und Familie des Freistaats Thüringen erkannte mit der Rehabilitierungsbescheinigung vom 11.01.2002 eine Verfolgungsmaßnahme im Sinne des § 3 Abs. 1 Gesetz über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet (Berufliches Rehabilitierungsgesetz - BerRehaG) für die Zeit vom 01.09.1957 bis 01.10.1990 an.

Diese Bescheinigung legte die Klägerin der Beklagten nach eigenen Angaben bereits mit Schreiben vom 08.03.2002 vor und beantragte eine Vergleichsberechnung ihrer Rente - auf der Basis des von ihr angestrebten Berufes einer Kinderärztin - sowie Nachzahlung der Rente einschließlich Zinsen.

Die Klägerin bezog ab dem 06.06.1990 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (Bescheide vom 09.01.1991 und 16.04.1998) sowie ab dem 01.12.2006 Altersrente für schwerbehinderte Menschen (Bescheid vom 17.07.2007).

Am 13.08.2013 legte sie die Rehabilitierungsbescheinigung unter Hinweis auf ihr Schreiben vom 08.03.2002 erneut vor. Die Beklagte konnte das Schreiben von März 2002 in der Akte nicht finden und wertete das Schreiben als Überprüfungsantrag gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Mit - streitgegenständlichem - Bescheid vom 05.09.2013 lehnte die Beklagte diesen ab, die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 BerRehaG lägen nicht vor. Dagegen richtete sich der Widerspruch vom 17.09.2013. Die Klägerin führte aus, sie habe bereits als Schülerin das Berufsziel der Kinderärztin verfolgt. Da sie sich weigerte, an der Jugendweihe teilzunehmen, sei sie nicht in die nächsthöhere Klasse acht versetzt worden; der Staat habe ihr damit die Möglichkeit genommen, das Abitur zu machen und Medizin zu studieren. Auch in ihrem späteren Arbeitsleben habe die politische Verfolgung angehalten; trotz entsprechender Leistungen habe sie nicht die Möglichkeit erhalten, die gewünschte Ausbildung nachzuholen. Als sie im Jahre 1985 im Rahmen der Familienzusammenführung in die Bundesrepublik Deutschland gekommen sei, sei sie zu alt gewesen, um ihr Abitur nachzuholen, Medizin zu studieren und Kinderärztin zu werden.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2013 als unbegründet zurück. Die im Bescheid vom 05.09.2013 getroffenen Ausführungen seien zutreffend. Voraussetzung eines Nachteilsausgleichs gemäß § 12 BerRehaG sei, dass wegen einer Verfolgungsmaßnahmen eine Schul-, Fachschul- oder Hochschulausbildung unterbrochen und diese später wieder aufgenommen und abgeschlossen worden sei. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall, so dass die Voraussetzungen der genannten Vorschrift nicht vorlägen.

Dagegen hat die Klägerin am 06.12.2013 bei dem Sozialgericht Köln Klage erhoben. Die Klägerin hat darauf hingewiesen, dass die Antragstellung bereits am 08.03.2002 erfolgt sei. Das von der Beklagten als Antrag nach § 44 SGB X gewertete Schreiben vom 13.08.2013 sei eine weitere Erinnerung an den Antrag von März 2002. Die von der Beklagten vertretene Rechtsauffassung sei rechts- und verfassungswidrig. Sinn und Zweck des Rehabilitierungsgesetzes bestehe darin, die aufgrund rechtsstaatswidriger Maßnahmen in der DDR erlittenen beruflichen Benachteiligungen der Opfer während des gesamten Erwerbslebens wenigstens in der späteren, höheren Rente wiedergutzumachen. Die fehlende Versetzung in die Klasse acht aufgrund Ihrer Weigerung, an der Jug...

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