Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufskrankheit. haftungsausfüllende Kausalität. Polyneuropathie

 

Orientierungssatz

Zur Nichtanerkennung einer toxischen Polyneuropathie mit hirnorganischem Psychosyndrom einer Chemiefacharbeiterin als Folge des als Berufskrankheit gem. BKV Anl Nr 1304 anerkannten Leberschadens.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Klägerin wegen einer anerkannten Berufskrankheit im Sinne von Nr. 1304 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung eine Verletztenrente zusteht.

Die 1934 geborene Klägerin arbeitete von Juni 1953 bis Anfang 1964 als Chemiefacharbeiterin bei den C W M H, von 1973 bis 1979 als Laborgehilfin bei der Firma L-I sowie zuletzt ab März 1980 als Laborantin bei der Firma S, P. Während ihrer zuletzt verrichteten Tätigkeit hatte sie nach den Ermittlungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten Umgang mit Toluidin (Bericht vom 07.05.1987). Nach einer Arbeitsunfähigkeit vom 05.12.1986 bis 23.01.1987 und ab 17.02.1987 bewilligte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) der Klägerin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (Bescheid vom 25.04.1990).

Die Klägerin beantragte bei der Beklagten am 11.03.1987 die Entschädigung verschiedener Gesundheitsstörungen (Atemwegsbeschwerden, Brennen der Schleimhäute, Kopfschmerzen, Schwindelgefühle sowie Leberfunktionsstörung) als Berufskrankheit. Sie führte diese Gesundheitsstörungen auf den Kontakt mit P-Toluidin sowie weiteren chemischen Substanzen bei ihrer Tätigkeit als Laborantin der Firma S zurück. Die Beklagte zog die über die Klägerin geführten Vorerkrankungsverzeichnisse bei (Betriebskrankenkasse C W M-H, B E, P) und holte Berichte von ihren behandelnden Ärzten ein (Bericht vom 02.04.1987 von Dr. W, Bericht vom 24.02.1987 von Dr. W, Bericht vom 24.03.1987 von Prof. Dr. V). Außerdem veranlaßte sie eine Arbeitsplatzanalyse durch das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt P und ihren Technischen Aufsichtsdienst (vgl. Berichte vom 07.04.1987 und 07.05.1987). In einer arbeitsmedizinischen Stellungnahme vom 27.08.1987 kam Dr. M zu dem Ergebnis, eine nennenswerte Exposition der Klägerin mit P-Toluidin sei nicht festzustellen. Bei im übrigen normaler Leberhistologie sei die Ursache der bei der Klägerin ausweislich der ärztlichen Berichte festzustellenden geringgradigen Erhöhung spezifischer Leberwerte unbekannt; jedenfalls könnten diese Normabweichungen nicht auf die berufliche Tätigkeit zurückgeführt werden. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 04.09.1987 die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit ab. Hiergegen hat die Klägerin am 16.09.1987 Klage zum Sozialgericht Detmold erhoben.

Das Sozialgericht hat die von der BfA eingeholten Gutachten beigezogen (nervenärztliches Gutachten des Dr. H vom 02.11.1988, internistisches Gutachten des Dr. J vom 03.11.1988, internistisches Gutachten des Dr. T vom 09.04.1990 sowie nervenärztliches Gutachten des Dr. H vom 28.03.1990). Diese Gutachter waren zu dem Resultat gelangt, die Klägerin leide an einer chronischen Leberschädigung und einem hirnorganischen Psychosyndrom mit erheblicher Intelligenzminderung und Persönlichkeitsveränderungen. Die Verursachung dieser Gesundheitsstörungen durch eine berufsbedingte Intoxikation mit P-Toluidin sei möglich. Prof. Dr. W, U, vertrat in den von der Klägerin vorgelegten toxikologischen Gutachten vom 24.05.1988 mit ergänzenden Stellungnahmen vom 24.06.1988, 30.10.1989 und vom 09.05.1990 die Auffassung, ein solcher Zusammenhang sei wahrscheinlich.

Das Sozialgericht hat ferner von Amts wegen Prof. Dr. D, N K der U E, den Psychologen Dr. W (Gutachten vom 16.05.1992) und den Arbeitsmediziner Prof. Dr. N, I für A der U E, gehört. Prof. Dr. D ist in seinem Gutachten vom 11.05.1992 zu dem Ergebnis gekommen, das Vorliegen einer Polyneuropathie und eine Störung der Hirnversorgung seien auszuschließen. Neuropsychologischerseits bestünden keine Hinweise auf eine hirnorganisch bedingte Störung der intellektuellen Leistungsfähigkeit der Klägerin im Sinne einer Enzephalopathie. Prof. Dr. N hat in einer zusammenfassenden arbeitsmedizinischen Beurteilung vom 08.03.1993 unter Berücksichtigung des neurologischen und psychologischen Zusatzgutachtens ausgeführt, es sei vom Bestehen einer Berufskrankheit nach Nr. 1304 der Anlage 1 zur BKVO auszugehen. Es sei anzunehmen, daß eine resorptive Aufnahme des P-Toluidin regelmäßig erfolgt sei, die die beschriebene Leberzellverfettung der Klägerin und die Erhöhung spezifischer Leberwerte zumindest wesentlich mitverursacht habe. Die berufskrankheitsbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei ab 1982 mit 10 v. H. zu bewerten. Auf das Vorbringen der Klägerin, ihre berufskrankheitsbedingten Gesundheitsstörungen seien nicht auf das Leberorgan beschränkt, hat das Sozialgericht zusätzlich ein augenärztliches Gutachten von Prof. W, U E, ein hno-ärztliches Gutachten von Dr. J, H-U E, sowie ein internistisches Gutachten von Prof. Dr. P, Med. K der U E, eingeholt. Auf den Inhalt dieser am 17.08.1993, 13.12.1993 und am 04.03.1994 erstatt...

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