nicht rechtskräftig

 

Verfahrensgang

SG Dortmund (Entscheidung vom 29.09.1998; Aktenzeichen S 24 BU 117/98)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 12.11.2003; Aktenzeichen B 8 KN 1/02 U R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 29. September 1998 wird zurückgewiesen. Der Bescheid vom 10. Dezember 1998 wird aufgehoben. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines aufsichtsrechtlichen Verpflichtungsbescheides.

Am 01. August 1995 gab der Sachverständigenbeirat beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA) seine im April 1995 beschlossene Empfehlung bekannt, aufgrund neuerer gesicherter Erkenntnisse die Krankheit "chronische obstruktive Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten unter Tage im Steinkohlebergbau bei Nachweis einer kumulativen Dosis von in der Regel 100 Feinstaubjahren [ ...] "als neue Berufskrankheit in die Berufskrankheitenliste aufzunehmen. In der Folgezeit entschädigte die Klägerin diese Krankheit wie eine Berufskrankheit, § 551 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Im Mai 1997 wurde beim BMA ein Referentenentwurf beschlossen, der eine Neubekanntmachung der Berufskrankheitenverordnung (BKV) vorsah, in deren Anlage (= Berufskrankheitenliste) die genannte Krankheit nunmehr als Berufskrankheit Nr. 4111 aufgenommen werden sollte. Außerdem war vorgesehen, dass nur diejenigen Versicherungsfälle entschädigt werden sollten, die nach dem Inkrafttreten der letzten Änderung der früheren Berufskrankheiten verordnung (BKVO) durch die Zweite Änderungsverordnung vom 18. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2343 f), also gemäß Art. 2 Abs. 1 der Verordnung nach dem 31. Dezember 1992, eingetreten waren. Dieser Referentenentwurf wurde der Klägerin am 06. Juni 1997 bekannt. Am 28. August 1997 wurde die neue BKV vom Bundeskabinett beschlossen, am 05. November 1997 wurde sie als "Berufskrankheitenverordnung vom 31. Oktober 1997" im Bundesgesetzblatt veröffentlicht (BGBl. I S. 2623), am 01. Dezember 1997 trat sie in Kraft, § 8 Abs. 1 BKV.

Von August 1995 bis zum Bekanntwerden des Verordnungsentwurfes am 06. Juni 1997 hatte die Klägerin die genannte Berufskrankheit nach § 551 Abs. 2 RVO unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt der Versicherungsfall eingetreten war, entschädigt. Nachdem ihr der Entwurf bekanntgeworden war, änderte sie diese Praxis, und berief sich im Folgenden bis zum Inkrafttreten der Verordnung am 01. Dezember 1997 für die Ablehnung von Ansprüchen im Rahmen des § 551 Abs. 2 RVO auch auf die in der beabsichtigten Neuregelung enthaltene Leistungseinschränkung (die sog. Stichtagsregelung), § 6 Abs. 1 BKV.

Diese Verfahrensweise wurde der Beklagten im Juli 1997 durch eine Einzeleingabe bekannt. Daraufhin teilte sie der Klägerin mit, dass die Ablehnung von Leistungen auf der Grundlage eines Entwurfs einer Verordnung zur Neufassung der Berufskrankheitenverordnung rechtlich bedenklich sei, und bat um nähere Angaben (Schreiben vom 29. August 1997). Die Klägerin antwortete, sie habe bisher etwa 3.800 Fälle gemäß § 551 Abs. 2 RVO im Sinne einer Einzelfallregelung entschieden. Nach dieser Vorschrift werde sie bis zum Inkrafttreten der neuen Verordnung auch weiter verfahren. Es sei rechtlich kaum vertretbar, den bereits erkennbaren Willen des Verordnungsgebers über eine zeitlich begrenzte Rückwirkung außer Acht zu lassen, weil dies zu einer Besserstellung gegenüber denjenigen Versicherten führt, deren Anträge erst nach dem Inkrafttreten der Verordnung beschieden würden. Dabei verkenne sie nicht, dass man mit ebenfalls beachtlichen Gründen auch anderer Auffassung sein könne. Gerade dies dränge zu einer schnellen gerichtlichen Klärung, die in mehreren bereits anhängigen Klageverfahren erstrebt werde. Bisher sei ein Anspruch in ca. 580 Fällen wegen der bekannt gewordenen Stichtagsregelung abgelehnt worden.

Die Beklagte hielt die Argumentation der Klägerin für nicht stichhaltig. Sie meinte, dass bis zum Inkrafttreten der neuen Verordnung nach dem bis dahin geltenden Recht zu entschädigen sei, also eine zeitlich unbegrenzte Entschädigung der Krankheit wie eine Berufskrankheit erfolgen müsse. Allenfalls könne man argumentieren, der Wille des Verordnungsgebers sei ab dem 28. August 1997, dem Beschluss der Bundesregierung, zu berücksichtigen. Keinesfalls dürfe aber der Wille des Verordnungsgebers bereits bei Bekanntwerden eines Referentenentwurfes zugrundegelegt werden. Sie bitte daher in dem der Eingabe zugrundeliegenden Fall, den ablehnenden Bescheid aufzuheben und eine Anerkennung vorzunehmen. Außerdem bitte sie, in den übrigen 580 Fällen entsprechende Überprüfungen einzuleiten (Schreiben vom 04. November 1997).

Am 25. November 1997 fand bei der Beklagten ein Gespräch zu der zwischen den Beteiligten streitigen Verfahrensweise der Klägerin statt. In einem hierzu gefertigten Gesprächsvermerk heißt es, es gehe der Beklagten nur um die Fälle, die bereits vor Inkrafttreten der Stichtagsregelung entschieden w...

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