Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. kein Anspruch auf Ausstellung eines papiergebundenen Anspruchsausweis anstelle der elektronischen Gesundheitskarte

 

Orientierungssatz

Ein Versicherter hat keinen Anspruch auf Ausstellung eines papiergebundenen Anspruchsausweis anstelle der elektronischen Gesundheitskarte über den 1.1.2015 hinaus.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.01.2021; Aktenzeichen B 1 KR 15/20 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 08.08.2016 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der beklagten Krankenkasse einen "papiergebundenen Anspruchsnachweis" anstelle der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) über den 01.01.2015 hinaus.

Der 1959 geborene Kläger ist taubstumm. Ihm ist ein Grad der Behinderung von 100 mit den Merkzeichen G und RF zuerkannt. Er hatte bereits im Jahr 2012 bei der Beklagten die unbefristete Nutzung seiner bisherigen Krankenversicherungskarte beantragt. Die gegen die ablehnenden Bescheide der Beklagten (Bescheid vom 10.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.01.2013) vom Kläger beim Sozialgericht Dortmund erhobene Klage vom 12.02.2013 (S 8 KR 163/13) blieb - wie ein zeitgleicher Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (S 8 KR 166/13 ER) - erfolglos.

Mit Schreiben vom 22.12.2014 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass ab dem 01.01.2015 bei Arzt- oder Zahnarztbesuchen nur noch eine gültige elektronische Gesundheitskarte als Versicherungsnachweis akzeptiert werde. Er möge kurzfristig ein Passbild zur Verfügung zu stellen. In jedem AOK-Kundencenter könne kostenlos ein Bild für die eGK erstellt werden. Ein Bild könne auch zugesandt oder im Internet hochgeladen werden.

Der Kläger beantragte daraufhin am 02.01.2015 die Ausstellung eines papiergebundenen Ausweises gemäß § 19 Abs. 3 BMV-Ä und für den Besuch seines Zahnarztes ein Formular, aus dem die maßgeblichen Versichertendaten hervorgingen. Er habe wiederholt erklärt, dass er weder ein Passbild abgeben werde noch die Ausstellung einer eGK wünsche. Aus § 291a SGB V ergebe sich keine Pflicht zur Einsendung eines Fotos. Die entsprechende Weigerung stelle keine Ordnungswidrigkeit dar. Sie könne auch nicht anderweitig mit Sanktionen belegt werden. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und der Kostenersparnis sei er im Interesse der Versichertengemeinschaft bereit, sich auf die elektronische Zusendung der entsprechenden Nachweise einzulassen. Im Falle einer Ablehnung werde um eine rechtsmittelfähige Bescheidung gebeten.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 16.01.2015 unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18.11.2014 (B 1 KR 35/13 R) ab.

Der Kläger wies zur Begründung seines Widerspruchs vom 16.02.2015 auf das von ihm angestrengte und beim Sozialgericht Dortmund anhängige Klageverfahren S 8 KR 163/13 hin. Er bitte darum, bis zur Entscheidung in diesem Verfahren "am Ersatzverfahren" teilnehmen zu können, d.h. quartalsweise papiergebundene Anspruchsnachweise zu erhalten. Eine höchstrichterliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Sachen eGK/TI (Telematik-Infrastruktur) liege noch nicht vor. Auch angesichts aktueller Datenskandale, in die auch Geheimdienste verwickelt seien, könne man nicht mehr ruhigen Gewissens auf eine Karte setzen, deren Entwicklungsmöglichkeiten auch in Fachkreisen aktuell als sehr beschränkt eingeschätzt würden.

Mit Schreiben vom 11.03.2015 wies die Beklagte darauf hin, dass für die Inanspruchnahme von Krankenkassenleistungen ohne Nutzung der eGK die Möglichkeit bestehe, die Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 2 SGB V zu wählen. Hinsichtlich vermeintlicher Sicherheitslücken werde auf zwei Stellungnahmen der Firma H vom 18.09.2013 und 25.02.2015 verwiesen. Unter dem 16.03.2015 übersandte die Beklagte nähere Informationen zur Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 2 SGB V. Eine anderweitige Nachweisberechtigung könne in der beantragten Form nicht ausgestellt werden, da dies nur in - im Fall des Klägers nicht gegebener - Ausnahmefällen möglich sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2015 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Es bestehe kein Anspruch auf Ausstellung eines papiergebundenen Ausweises anstelle einer eGK. Indem § 291a Abs. 2 SGB V für die Erweiterung der Krankenversichertenkarte zur eGK den Bezug zum Wortlaut von § 291 Abs. 2 SGB V herstelle, werde deutlich, dass sich die eGK hinsichtlich der auf ihr verpflichtend enthaltenen Angaben nicht von der bisher gültigen Krankenversichertenkarte unterscheide. Dies gelte auch für die Erweiterung der eGK um das Lichtbild, welches ebenfalls in § 291 Abs. 2 SGB V ausdrücklich erwähnt werde. Das Lichtbild sei notwendig, damit sichergestellt werden könne, dass der Inhaber der Karte auch mit dem Versicherten, der auf der Karte genannt sei, identisch sei. Sofern § 291a Abs. 3 SGB V die Möglichkeit eröffne, weitere Date...

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