Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Versorgung durch einen nicht zugelassenen psychotherapeutischen Leistungserbringer

 

Orientierungssatz

1. Ein nicht zugelassener psychotherapeutischer Leistungserbringer kann zu Lasten der Krankenkasse nur nach Maßgabe des § 76 Abs. 1 S. 2 SGB 5 in Anspruch genommen werden. Danach kommt die notfallmäßige Inanspruchnahme nur dann in Betracht, wenn der Versicherte auf eine Akutbehandlung angewiesen und ein zugelassener Leistungserbringer zumutbar nicht erreichbar ist.

2. Solange vertraglich zugelassene Leistungserbringer zur Behandlung der bestehenden Erkrankung in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen, ist die Annahme sowohl einer Versorgungslücke als auch eines Systemversagens ausgeschlossen.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 31.07.2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Gewährung einer Behandlung bei dem nicht zur vertragsärztlichen zugelassenen Psychotherapeuten Prof. Dr. F - Institut für psychologische Unfallnachsorge (IPU) - in L in Anspruch.

Die am 00.00.1971 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gegen das Risiko Krankheit versichert. Von ihrem Wahlrecht nach § 13 Abs. 2 des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuches (SGB V) hat sie keinen Gebrauch gemacht. Sie ist ausgebildete Bankfachwirtin und wurde am 06.11.2000 Opfer eines Banküberfalls.

In der Folgezeit litt sie unter einem posttraumatischen Belastungssyndrom, das vom 05.01.2002 bis zum 15.08.2003 durch eine Psychotherapie bei Prof. Dr. F im IPU behandelt wurde. Kostenträger war die Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG). Prof. Dr. F sah die Behandlung wegen der Unfallfolgen als abgeschlossen an (Bericht vom 01.04.2004).

Die VBG lehnte die Zahlung von Verletztengeld für die Zeit über den 15.08.2003 hinaus ab (Bescheid vom 05.08.2003). Einen von der Klägerin gestellten Überprüfungsantrag auf Zahlung von Verletztengeld und Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben lehnte die VBG ebenfalls ab (Bescheid vom 21.12.2004; Widerspruchsbescheid vom 21.03.2005). Die hiergegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Dortmund ab (Az.: S 17 U 141/05). Das Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) blieb erfolglos (Urteil vom 24.08.2007 - Az.: L 4 U 75/06).

Das Land Nordrhein-Westfalen hat vor dem LSG NRW in dem Verfahren Az.: L 6 VG 9/03 bei der Klägerin für den Zeitraum Oktober 2001 bis August 2003 eine "ängstlich-depressive Symptomatik im Sinne der Verschlimmerung mit Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung" als Schädigungsfolge im Sinne des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) anerkannt und sich bereit erklärt für die Monate Februar und März 2001 Versorgung nach einer MdE von 30 v.H. zu leisten. Eine darüber hinaus gehende Leistungsgewährung lehnte das Land ab, weil der Klägerin bis August 2003 Verletztengeld in einer die Versorgungsrente übersteigenden Höhe gezahlt worden ist. Das Begehren der Klägerin, ihr wegen der Schädigungsfolgen auch über den 15.08.2003 hinaus Versorgung zu leisten, blieb ohne Erfolg (LSG NRW, Urteil vom 28.08.2007 - Az.: L 6 VG 9/03).

Aufgrund weiterer psychischer Erkrankungen (kombinierte Persönlichkeitsstörung mit dependenten, histrionischen und narzisstischen Anteilen, Angst-, Panik- und depressive Störungen) blieb die Klägerin über den 15.08.2003 hinaus in Behandlung bei Prof. Dr. F. Hierfür begehrte sie in dem zwischenzeitlich durch Urteil beendeten Rechtsstreit Az.: S 44 KR 272/04 vor dem Sozialgericht Dortmund Kostenerstattung. Ein außerdem gestellter Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes blieb erfolglos (Az.: S 44 KR 204/04 ER - SG Dortmund - Az.: L 16 B 174/04 KR ER - LSG NRW, Beschluss vom 13.06.2005).

Eine Ende 2005 zu Lasten der Bundesagentur für Arbeit aufgenommene Maßnahme der beruflichen Weiterbildung zur Gebärdendolmetscherin in F musste im Frühjahr 2006 aus gesundheitlichen Gründen beendet werden.

Unter Vorlage eines von Prof. Dr. F verfassten Berichts vom 04.04.2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten am 08.05.2006 bzw. 11.05.2006 die Kostenübernahme für die Durchführung einer psychotherapeutischen Behandlung im IPU. In einem unter dem 08.05.2006 verfassten Therapieplan empfahl Prof. Dr. F eine psychotherapeutische Intensivbehandlung über 3 Phasen mit jeweils 7 Tagen. Die Kosten bezifferte er mit 1.020,00 Euro pro Therapietag einschließlich Übernachtungskosten.

Einer von dem Neurologen und Psychiater X1 unter dem 24.04.2006 verordneten Einweisung in eine psychiatrischen Klinik kam die Klägerin nicht nach. Sie machte geltend, dass sie wegen einer "Krankenhausphobie" nicht in der Lage sei, stationäre Behandlung in Anspruch zu nehmen. In einem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 25.04.2006 führte Herr X1 aus, dass die Klägerin nicht bereit sei, die ihr von ihm als Krisenintervention angebotene tägliche (montags - samstags) Kurzpsychotherapie zwecks Vermeidung einer Krankenh...

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