Entscheidungsstichwort (Thema)

Versicherungspflicht des Leiharbeitnehmers bei unerlaubter gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung

 

Orientierungssatz

1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn eine Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis nach Weisungen erfolgt und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte und die freie Verfügung über die eigene Arbeitskraft gekennzeichnet.

2. Zu unterscheiden von einer abhängigen Beschäftigung ist die Leistung von Arbeit aufgrund Arbeitnehmerüberlassung. Eine Überlassung zur Arbeitsleistung i. S. des § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 AÜG liegt dann vor, wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in dessen Betrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach Weisungen des Entleihers und in dessen Interesse ausführen.

3. Erschöpft sich die vertragliche Verpflichtung des Verleihers gegenüber dem Entleiher in der Vermittlung und Überlassung des Arbeitnehmers, wird der Arbeitnehmer nach Weisungen des Entleihers tätig und ist er in dessen betriebliche Organisation eingegliedert, so besteht ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis des Arbeitnehmers zu dem Entleiher, nicht aber zu dem Verleiher.

4. Nach § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu den zwischen dem Entleiher und dem Verleiher vereinbarten Konditionen als zustande gekommen, wenn der Vertrag zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer - u. a. wegen fehlender Genehmigung zur gewerbsmäßigen Überlassung von Arbeitnehmern - nach § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam ist.

5. In einem solchen Fall unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung ist der Entleiher nicht nur im arbeitsrechtlichen, sondern auch im beitragsrechtlichen Sinn Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers (Anschluss BSG Urteil vom 25. 10. 1988, 12 RK 21/87).

 

Normenkette

SGB IV § 7 Abs. 1, §§ 7a, 14, 28e Abs. 2 Sätze 1, 3-4; AÜG § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Sätze 1, 5; SGB X § 31 S. 1, § 33 Abs. 1; BGB § 645 Abs. 1 S. 1; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 1; SGB VI § 1 S. 1 Nr. 1; SGB XI § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1; SGB III § 25 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 16.7.2012 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Kosten des Beigeladenen zu 1) in erster Instanz nicht zu erstatten sind.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 2) bis 4), die ihre Kosten selbst tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 17.116 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens, ob der Beigeladene zu 1) im Rahmen seiner Tätigkeit als Standort-Projektkoordinator in der Zeit vom 1.3.2008 bis zum 31.10.2008 aufgrund einer abhängigen Beschäftigung bei der Klägerin der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung unterlegen hat.

Die Klägerin ist ein Unternehmen mit Sitz in E, dessen Geschäftsführer zugleich sein alleiniger Gesellschafter ist. Es hatte im Streitzeitraum keinerlei eigene Mitarbeitende. Die Klägerin besaß im Streitzeitraum keine Genehmigung zur gewerbsmäßigen Überlassung von Arbeitnehmern. Der Geschäftsführer der Klägerin verfügte u.a. aus Zeiten, in denen er für das Unternehmen W, das sich seit 2002 P GmbH & Co. KG (im Folgenden: P) nannte und die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 5) ist, tätig war, über gute Kontakte in die Telekommunikationsbranche. Nach Gründung der Klägerin setzte er sich u.a. mit P in Verbindung und fragte, ob Bedarf an Projektleistungen bestehe. Im weiteren Verlauf kam es zwischen der Klägerin und P zum Abschluss eines "Rahmenvertrages über die Erbringung von Projektleistungen vom 10.1.2005". In diesem Vertrag heißt es auszugsweise:

§ 1 Leistungen des Auftragnehmers

(1) Der Auftragnehmer wird die in den jeweiligen Anlagen beschriebenen Projektleistungen für die P (H) erbringen ...

(2) Der Auftragnehmer wird die beschriebenen Leistungen gemäß den in den Einzelprojektverträgen für das jeweilige Projekt vereinbarten Zeiteckpunkten (Milestones) erbringen ...

...

(5) Der Auftragnehmer wird selbständig und auf eigene Kosten die zur Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten erforderlichen Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen der von ihm eingesetzten Personen durchführen.

§ 2 Vergütung und Rechnungsstellung

...

(5) Der Auftragnehmer verpflichtet sich, soweit gesetzlich vorgeschrieben, seine Vergütung zu versteuern, ggf. Sozialabgaben für die von ihm eingesetzten Personen zu entrichten und anderen derartigen Verpflichtungen nachzukommen. Soweit er diesen Verpflichtungen nicht nachkommt und P (H) deshalb in Anspruch genommen werden sollte, ist der Auftragnehmer zum Ersatz des P (H) entstandenen Schadens verpflichtet.

...

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des als Anlage K3 zur Klagebegründung überreich...

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