Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Sperrzeit. Arbeitsaufgabe. arbeitsvertragswidriges Verhalten. Berufskraftfahrer. Führerscheinverlust

 

Orientierungssatz

Die Voraussetzungen für eine Sperrzeit nach § 144 Abs 1 Nr 1 SGB 3 liegen nicht vor, wenn ein Berufskraftfahrer, der während der Arbeitszeit eine Straftat im Straßenverkehr begangen hat, von seinem Arbeitgeber in Kenntnis des idR eine fristlose Kündigung rechtfertigenden arbeitsvertragswidrigen Verhaltens ca 9 Monate bis zum Führerscheinentzug weiterbeschäftigt wurde und die Kündigung daher noch auf personenbedingte Gründe gestützt werden konnte.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 15.12.2005; Aktenzeichen B 7a AL 46/05 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 30.06.2003 abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 07.10.2002 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 13.11.2002 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 01.08.2002 zu zahlen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Instanzen zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Umstritten ist der Eintritt einer Sperrzeit vom 01.08. bis 23.10.2002. Dabei ist insbesondere fraglich, ob ein zum Führerscheinverlust führendes Verhalten des Klägers noch als für eine Sperrzeit relevant angesehen werden kann.

Der 1971 geborene Kläger war seit Mai 2001 als LKW-Fahrer bei der Firma N in E beschäftigt. Am 13.10.2001 beging der Kläger während der Arbeitszeit mit seinem beruflich genutzten LKW im Straßenverkehr eine Tat, die später als versuchte Nötigung und Beleidigung strafrechtliche Konsequenzen haben sollte (Amtsgericht Dortmund 92 Cs 213 Js 1021/01). Wie und wann der Kläger seinen Arbeitgeber über sein Verhalten vom 13.10.2001 informierte, war zunächst nicht bekannt. Der Arbeitgeber ließ den Kläger trotz dieser Information weiter als LKW-Fahrer arbeiten. Mit Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 12.02.2002 wurde der Kläger wegen versuchter Nötigung und Beleidigung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 30 Euro und zu einem Fahrverbot von 3 Monaten verurteilt. Diese Entscheidung wurde vom Landgericht Dortmund mit Urteil vom 17.07.2002 mit der Maßgabe bestätigt, dass das Fahrverbot nur 2 Monate betrage. Am 24.07.2002 gab der Kläger seinen Führerschein ab und informierte hiervon seinen Arbeitgeber. Daraufhin erhielt der Kläger ein Schreiben der Firma N vom 30.07.2002 mit folgendem Wortlaut:" .. hiermit kündigen wir ihren Arbeitsvertrag zum 31.07.2002 aufgrund ihres groben Fehlverhaltens im Straßenverkehr während der Arbeitszeit und dem gegen sie verhängten Fahrverbot ..". Der Kläger akzeptierte diese Kündigung und meldete sich am 31.07.2002 zum 01.08.2002 bei der Beklagten arbeitslos.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 07.10.2002 Arbeitslosengeld ab dem 24.10.2002 in Höhe von 288,61 Euro pro Woche. Mit Bescheid vom gleichen Tage (= 07.10.2002) stellte die Beklagte mit der Begründung, der Kläger habe seine Arbeit aufgrund eines Verstoßes gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten verloren, eine Sperrzeit von 12 Wochen vom 01.08.2002 bis 23.10.2002 fest und versagte insoweit die Zahlung von Arbeitslosengeld. Mit seinem hiergegen eingelegten Widerspruch vertrat der Kläger die Ansicht, die ihm zur Last gelegte Tat stelle keinen Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten dar. Kündigungsgrund sei allein der Führerscheinentzug gewesen. Daher habe der Arbeitgeber ihm unbezahlten Urlaub gewähren können, statt ihn zu entlassen. Auch sei er vorher nicht abgemahnt worden. Trotz Kenntnis der ihm vorgeworfenen Tat habe der Arbeitgeber ihn bis zur Abgabe des Führerscheines weiterfahren lassen und man habe ihm bekundet, er könne dort auch wieder anfangen, wenn er den Führerschein zurückerhalte. Auch sei ihm eine Anstellung im Lager ursprünglich in Aussicht gestellt worden. Dies habe sich jedoch nicht realisieren können, weil zum Zeitpunkt der Abgabe des Führerscheines im Lager nicht genug zu tun gewesen sei. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13.11.2002 als unbegründet zurück. Sie führte aus, wegen der Unmöglichkeit, den Kläger weiter zu beschäftigen, habe es einer vorherigen Abmahnung nicht bedurft. Im Übrigen habe dieser sich bewusst sein müssen, sich im Straßenverkehr so zu verhalten habe, dass er die Fahrerlaubnis nicht verliere.

Hiergegen hat der Kläger am 04.12.2002 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund erhoben. Zur Begründung hat er ergänzend vorgetragen, anderen Arbeitnehmern mit vorübergehendem Führerscheinentzug habe der Arbeitgeber immer geholfen und sie für den Zeitraum des Entzuges anderweitig beschäftigt. Hierauf habe auch er vertraut.

Vor dem Sozialgericht hat der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 07.10.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.11.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm auf den Antrag vom 31.07.2002 Arbeitslosengeld ohne Fe...

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