Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Zurückweisung der Berufung wegen fehlender Prozessfähigkeit des Klägers. Prozessunfähigkeit. Betreuung. Bestellung eines besonderen Vertreters. offensichtlich haltlose Rechtsverfolgung. Unzulässigkeit von Verpflichtungs- und Feststellungsklage. Sozialhilfe. keine Kostenübernahme für einen internetfähigen Computer samt Zusatzgeräten, Internet- und Telefonanschluss sowie ein Spracherkennungsprogramm samt Zusatzgeräten sowie Studiengebühren für ein Studium an 20 Universitäten

 

Orientierungssatz

1. Eine Berufung ist gem § 143 SGG dann zulässig, wenn auch die Prozessfähigkeit des Klägers nach § 71 SGG gegeben ist. Diese besteht darin, einen Prozess selbst oder durch einen selbst bestellten Prozessbevollmächtigten zu führen sowie Prozesshandlungen selbst oder durch einen selbst bestellten Vertreter wirksam vorzunehmen und entgegen zu nehmen (vgl LSG Hamburg vom 10.12.2009 - L 5 AS 6/09).

2. Im sozialgerichtlichen Verfahren darf grundsätzlich ein Rechtsbehelf nicht lediglich wegen der Prozessunfähigkeit des Klägers als unzulässig verworfen werden. Vielmehr ist - wenn kein gesetzlicher Vertreter vorhanden ist - ein besonderer Vertreter gem § 72 Abs 1 SGG zu bestellen. Von der Bestellung eines besonderen Vertreters kann nur dann abgesehen werden, wenn sich die Rechtsverfolgung als offensichtlich haltlos erweist (vgl BSG vom 3.7.2003 - B 7 AL 216/02 B = BSGE 91, 146 = SozR 4-1500 § 72 Nr 1).

3. Für die Entscheidung, ob die Rechtsverfolgung "offensichtlich haltlos" ist, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Neben absurden Klagebegehren ohne jeden Rückhalt im Gesetz kommen von vornherein offensichtlich unschlüssige Klagebegehren in Betracht oder ein Vorbringen, das bereits mehrfach Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen war.

4. Die Verpflichtungsklage auf Bewilligung eines internetfähigen Computers nebst umfangreichen Zusatzgeräten und Software sowie Studiengebühren für ein Studium an 20 Universitäten ist bereits unzulässig, wenn gem § 78 Abs 1 und 3 SGG vor Erhebung dieser Klage die Recht- und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nicht nachgeprüft wurde. Ebenso sind Feststellungsklagen gem § 55 Abs 1 SGG offensichtlich unzulässig, wenn ein Verwaltungsverfahren und ein Widerspruchsverfahren nicht stattgefunden haben.

 

Normenkette

SGG §§ 143, 71, 72 Abs. 1, § 78 Abs. 1, 3, § 55 Abs. 1

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 15.11.2012; Aktenzeichen B 8 SO 23/11 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 09.03.2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Übernahme von Kosten eines Internet- und Telefonanschlusses samt zahlreicher Zusatzgeräte sowie Kosten eines Studiums an 20 Universitäten. Des Weiteren sollen unter anderem umfangreiche Rechte des Klägers und die Schwerstbehinderung festgestellt werden.

Der 1955 geborene Kläger leidet an einer körperlich nicht begründbaren Psychose. Dies ergibt sich bereits aus einem ärztlichen Gutachten für die Deutsche Rentenversicherung aus dem Jahr 2006. Darin wird u.a. wörtlich dargelegt:

"Der Vers. erscheint pünktlich, noch ausreichend gepflegt zur Untersuchung. Er war bereits 2 Tage vorher in der Untersuchungsstelle um sich nach dem untersuchenden Arzt zu erkundigen. Nun erscheint er mit einem großen Rucksack und vielfältigen Unterlagen, von denen er verlangt, dass sie genau geordnet bleiben und nicht durcheinander geraten. Die Kontaktaufnahme gelingt. Der Vers. ist zunächst etwas abweisend, kommt jedoch sehr schnell in einen Redefluss der kaum noch zu unterbrechen ist. Der Vers, gibt an, dass er klarstellen möchte, dass er Widerspruch eingelegt habe gegen die Beantragung der Grundsicherungsrente, er sei der Ansicht, dass er 1982 einen Rentenantrag gestellt habe und deswegen ihm eine Rente zustehe. Die DRV habe die Unterlagen jedoch beiseite geschafft und unterdrückt. Danach gibt er an, dass er an einer langjährigen und heftigen Vergiftung leide. Zunächst wird nicht ganz klar wodurch er sich vergiftet fühle. Er gibt dann an, dass er überwiegend durch das Essen und die in den Nahrungsmitteln erhaltenden Gifte bedroht sei. Er hätte einen Energiebedarf von mindestens 10.000 Kalorien, die er jedoch nur durch Nahrung aus dem Bioladen decken könne. Er müsse die Nahrung kochen und mit dem Pürierstab so zerkleinern, dass sie nahezu flüssig sei. Nur so könne er sie zu sich nehmen. Eine andere Wohnung bzw. eine Behandlung stationär könne er nicht durchführen, da er rechts .. wohne und der Weg nach L ihm zu weit sei. Er habe da auch das Problem, dass er mindestens 15 l Flüssigkeit am Tag zu sich nehmen muss um die Gifte alle auszuschwemmen. Durch die viele Flüssigkeitsaufnahme müsse er seine Notdurft alle paar 100 m verrichten, wobei er Schwierigkeiten bekomme. Insgesamt sei er überwiegend am Tag beschäftigt seine Nahrung zu besorgen und zuzubereiten, auf die Frage, wie dies ohne...

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