Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. zuständiger Unfallversicherungsträger. kein Überweisungsanspruch gemäß § 136 SGB 7. Gesamtunternehmen. fehlende Unternehmeridentität. Unternehmen im Konzernverband. Nichtigkeit eines Zuständigkeitsbescheides. formelle Zuständigkeit

 

Orientierungssatz

1. Zur Annahme eines Gesamtunternehmens trotz fehlender Unternehmeridentität bei zwei Unternehmen im Konzernverbund.

2. Ein Zuständigkeitsbescheid, der bei einer bereits bestehenden formellen Zuständigkeit einer anderen Berufsgenossenschaft ergeht, ist nichtig.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 02.04.2009; Aktenzeichen B 2 U 20/07 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln geändert und die Klage abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte oder die Beigeladene als Unfallversicherungsträger für das Unternehmen der Klägerin zuständig ist.

Die Klägerin vertreibt fototechnische und -chemische Produkte ihrer alleinigen Gesellschafterin, der M. B. AG, die Mitglied der Beigeladenen ist. Bei dieser waren seit jeher die Vertriebsbereiche der B. AG im Stammwerk M. und in der Niederlassung Mü. versichert.

Ab 1947 richtete die B. AG für den Vertrieb ihrer Produkte in verschiedenen deutschen Städten rechtlich selbständige Verkaufsbüros ein, die sie in der Rechtsform der GmbH führte. Diese Verkaufsbüros waren Mitglied der Beklagten. Später wandelte die B. AG ihre Verkaufsbüros in Vertriebsgeschäftsstellen um und beantragte im Oktober 1984, die Vertriebsgeschäftsstellen an die Beigeladene zu überweisen, weil sie rechtlich unselbständig und nur noch als Nebenbetriebe zu bewerten seien. In diesen Nebenbetrieben werde nur noch verkauft; Lagerei und Transport seien entfallen. Mit Bescheid vom 31. Januar 1985 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 03. Januar 1992 wies die Beklagte den Überweisungsantrag zurück. Klage (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Düsseldorf vom 19. Februar 1997, Az.: S 16 U 28/92) und Berufung (Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Nordrhein-Westfalen vom 11. Dezember 2001, Az.: L 15 U 103/97) blieben ohne Erfolg. Die zugelassene Revision verwarf das Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 04. Juli 2002 (Az.: B 2 U 20/02 R) als unzulässig.

Um ihre Produkte gebündelt zu vertreiben, gründete die B. AG am 24. Oktober 1996 die Klägerin mit Sitz in K. Durch Bescheid vom 12. Dezember 1996 nahm die Beigeladene die Klägerin ab dem 01. November 1996 in ihr Unternehmensverzeichnis auf und erteilte ihr einen Mitgliedsschein. Zum 01. Januar 1997 übernahm die Klägerin von der B. AG die gesamte Vertriebsorganisation in Deutschland mit ihren ca. 900 Mitarbeitern in M., Mü., B., F./W., F./B., F., G., E., H., Ha., L. und D.

Mit Bescheid vom 26. Februar 1997 stellte die Beklagte ihre Zuständigkeit für die Klägerin ab dem 01. Januar 1997 fest. Dagegen erhob die Klägerin am 21. März 1997 Widerspruch. Zur Begründung teilte die Beigeladene unter dem 13. Mai 1997 mit, die Klägerin sei "Teil des Gesamtunternehmens B.", für das sie als Unfallversicherungsträger zuständig sei. Während des Widerspruchverfahrens meldete die Klägerin die Lohnsummen ihrer Beschäftigten in K. sowie Mü. der Beigeladenen und die Lohnsummen der übrigen Mitarbeiter der Beklagten. Bis zum 31. Dezember 2001 schloss sie schrittweise alle Niederlassungen und konzentrierte ihren Geschäftsbetrieb in K.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02. Januar 2001, der am 19. Januar 2001 zur Post gegeben worden ist, wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Sie sei seit Jahrzehnten für die Vertriebs- und Verkaufsniederlassungen der B. AG zuständig. Diese Mitgliedschaft habe "formal" weiter bestanden, obwohl die B. AG diese Unternehmensbereiche herausgelöst und auf die Klägerin übertragen habe. Denn diese formelle Mitgliedschaft könne nur durch den formellen Akt der Überweisung an eine andere Berufsgenossenschaft (BG) beendet werden. Folglich habe der angefochtene Bescheid nur deklaratorische Bedeutung. Ihre materiell-rechtliche Zuständigkeit ergebe sich aus den Bundesratsbeschlüssen vom 21. Mai 1885, 05. Oktober 1901 und 10. Oktober 1912 und § 3 ihrer Satzung, die die Aufsichtsbehörde genehmigt habe. Danach sei sie für Unternehmen, Betriebe und Einrichtungen des Großhandels und gleich zu setzende Betriebe zuständig, zu denen auch die Klägerin gehöre.

Dagegen hat die Klägerin am 14. Februar 2001 vor dem SG Köln Klage erhoben und vorgetragen, die Beigeladene sei schon deshalb "formell" zuständig, weil sie ihren bestandskräftigen Aufnahmebescheid vom 12. Dezember 1996 vor dem angefochtenen Aufnahmebescheid vom 26. Februar 1997 erlassen habe. In dieser Konkurrenzsituation sei der spätere Aufnahmebescheid nichtig, um Doppelmitgliedschaften zu vermeiden. Zudem sei für den "Haupt-Vertriebsbereich" und die Mü. Niederlassung schon immer die Beigeladene zuständig gewesen. Die anderen Niederlassungen...

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