Entscheidungsstichwort (Thema)

Prognoseentscheidung des Grundsicherungsträgers bei der vorläufigen Erbringung von Geldleistungen

 

Orientierungssatz

1. Der Grundsicherungsträger kann nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB 2 i. V. m. § 328 Abs. 1 Nr. 3 SGB 3 Geldleistungen vorläufig erbringen, wenn zur Feststellung der Hilfebedürftigkeit voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist, die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen und der Hilfebedürftige die Umstände, welche einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, nicht zu vertreten hat. Diese Voraussetzungen sind u. a. dann gegeben, wenn das Einkommen des Antragstellers aus einer geringfügigen Beschäftigung schwankend gewesen ist.

2. Als eigenes Einkommen des hilfebedürftigen Elternteils zählt das von ihm bezogene Kindergeld. Anspruchsberechtigt für das Kindergeld ist nicht das Kind, sondern dessen Eltern oder ein anderer Berechtigter, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat.

3. Welches Einkommen im Rahmen des SGB 2 bei einem Elternteil als Einkommen zu berücksichtigen ist, wird in § 11 Abs. 1 SGB 2 geregelt; dessen Wortlaut ist eindeutig. Steht das Kindergeld dem hilfebedürftigen Elternteil als bereits Mittel zur Verfügung, so ist es als dessen Einkommen bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit zu berücksichtigen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 07.08.2014; Aktenzeichen B 14 AS 101/14 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 07.10.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten im Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Regelleistung einschließlich Mehrbedarfe für September 2012 ohne Anrechnung von Kindergeld als eigenes Einkommen.

Die am 00.00.1952 geborene geschiedene Klägerin wohnt mit ihrem am 00.00.1992 geborenen Sohn Q in einer 80 m² großen Wohnung, L-hof 00, T. Die Grundmiete belief sich im Jahr 2012 auf 550,00 EUR monatlich, die Betriebs- und Heizkostenvorauszahlung auf 140,00 EUR monatlich. Das Warmwasser wurde dezentral erzeugt.

Im Jahr 2012 übte die Klägerin eine geringfügige Beschäftigung mit schwankendem Einkommen aus. Für ihren Sohn bezog sie im Jahr 2012 durchgehend Kindergeld i.H.v. 184,00 EUR monatlich. Seit dem 01.09.2012 absolviert Q T eine Ausbildung im Polizeivollzugsdienst. Die Anwärterbezüge betragen 1001,79 EUR brutto (980,37 EUR netto) monatlich. Im September 2012 erhielt der Sohn der Klägerin eine Abschlagszahlung von 900,00 EUR ausgezahlt.

Im Rahmen des Antrags auf Fortzahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit ab dem 01.04.2012 gab die Klägerin an, sie bilde mit ihrem Sohn Q keine Bedarfsgemeinschaft, da ihr Sohn seinen Bedarf durch eigenes Einkommen decke. Mit Bescheiden vom 04.05.2012 und 22.05.2012 bewilligte der Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 01.04.2012 bis zum 31.03.2013 vorläufig Kosten für Unterkunft und Heizung i.H.v. 188,59 EUR monatlich nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 328 Abs. 1 Nr. 3 SGB III. Er ging von einem Bedarf der Klägerin i.H.v. insgesamt 583,79 EUR aus, von dem er Einkommen der Klägerin von 395,20 EUR (364,00 EUR geschätztes Entgelt aus Erwerbstätigkeit + 184,00 EUR Kindergeld - 100,00 EUR Grundfreibetrag + 52,80 EUR Erwerbstätigenfreibetrag) abzog.

Gegen die Höhe der bewilligten Leistungen legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie machte höhere Kosten der Unterkunft und Heizung geltend. Auch sei die Berücksichtigung des Kindergeldes als eigenes Einkommen nicht zulässig. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2012 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Das von der Klägerin für Q bezogene Kindergeld sei als eigenes Einkommen der Klägerin zu berücksichtigen, da die Vorschrift des § 11 Abs. 1 S. 3 und 4 SGB II, wonach das Kindergeld als Einkommen dem zur Bedarfsgemeinschaft gehörendem Kind zuzurechnen sei, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts (mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28) benötigt werde, nicht eingreife.

Am 14.08.2012 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hat u.a. geltend gemacht, dass der Beklagte zu Unrecht für die Zeit ab dem 01.09.2012 das für den Sohn Q bezogene Kindergeld als eigenes Einkommen auf ihren Bedarf angerechnet habe. Sie bilde mit ihrem Sohn keine Bedarfsgemeinschaft und verweise auf die Vorschrift des § 1612b BGB.

Durch Bescheid vom 14.02.2013 hat der Beklagte der Klägerin und ihrem Sohn Q für die Zeit vom 01.04.2012 bis zum 31.05.2012 vorläufig Leistungen i.H.v. insgesamt 296,04 EUR monatlich, für die Zeit vom 01.06.2012 bis zum 31.08.2012 i.H.v. 539,13 EUR monatlich sowie der Klägerin Kosten für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 01.09.2012 bis zum 31.12.2012 i.H.v. 206,45 EUR monatlich sowie für die Zeit vom 01.01.2013 bis zum 31.03.2013 i.H.v. 214,64 EUR monatlich nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 328 Abs. 1 Nr. 3 SGB III bewilligt. Dabei hat er u. a. für die Zeit vom 01.09.2012 bis zum 31.03.2013 als Einkommen der Klägerin das Kinder...

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