Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Rentenversicherung: Rente wegen Erwerbminderung. Voraussetzung der Annahme einer besonderen Einschränkung beim Zugang zum Arbeitsmarkt durch eine Gesundheitsstörung. Anforderung an die Notwendigkeit der ergänzenden Befragung eines Sachverständigen

 

Orientierungssatz

1. Eine nur end- bis allenfalls mittelgradige Bewegungseinschränkung der rechten oberen Extremität stellt keine Leistungseinschränkung dar, die zu einer besonderen Einschränkung beim Zugang zum Arbeitsmarkt und damit zur Zuerkennung einer Erwerbsunfähigkeit trotz zumindest für leichte Tätigkeiten ausreichenden Restleistungsvermögens führt.

2. Allein das Vorhandensein mehrerer, sich teilweise widersprechender Sachverständigengutachten zu einer Beweisfrage begründet für das Gericht nicht die Notwendigkeit, einen Sachverständigen ergänzend zu befragen, da die Widersprüche im Rahmen der Beweiswürdigung durch das Gericht gewertet werden können.

3. Die Befragung eines Sachverständigen im sozialgerichtlichen Verfahren kommt nicht in Betracht, wenn mit der Befragung vorrangig dessen Fachkompetenz ausgeforscht werden soll.

4. Einzelfall zur Beurteilung des Vorliegens einer Erwerbsunfähigkeit (hier: abgelehnt).

 

Normenkette

SGB VI § 43 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, S. 2, Abs. 3 Hs. 1, § 240 Abs. 1 S. 1; SGG § 103 Sätze 1-2

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 5.5.2010 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung.

Der 1971 geborene Kläger war nach einer Ausbildung zum Tischler und Schreiner später bis 2001 als Arbeiter im Garten- und Landschaftsbau beschäftigt. Am 2.1.2001 erlitt er einen Verkehrsunfall, der als Arbeitsunfall anerkannt wurde. Wegen der Unfallfolgen "unter Falschgelenkbildung verheilter Bruch des rechten Oberschenkels, knöchern verheilte Fraktur im Handwurzelbereich rechts, Funktionseinschränkung des rechten Handgelenks" bezieht er seit 2004 von der Gartenbau-Berufsgenossenschaft (seit dem 1.1.2013 aufgegangen in der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG), im Folgenden: BG) eine Verletztenrente nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von zunächst von 30 vom Hundert (vH), später unter Einbeziehung einer "mittelgradig depressiven Episode" als Unfallfolge nach einem Grad der MdE von 40 vH, seit dem 1.1.2011 50 vH. Der Kläger ist als Schwerbehinderter anerkannt. Der Grad der Behinderung (GdB) beträgt seit Mitte 2006 50 (Bescheid vom 21.7.2006; zuvor: 100). Nach zwischenzeitlich nur vorübergehender Beschäftigung bis Ende 2005 ist der Kläger seit März 2010 in einem Umfang von derzeit 4,75 Stunden täglich bei der K GmbH in T als Metallhelfer beschäftigt.

Auf den im September 2006 gestellten Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung zog die Beklagte medizinische Unterlagen der BG und Berichte über eine Operation der unteren Lendenwirbelsäule (2006) bei. Die als Gutachterin eingeschaltete Internistin Dr. B aus B hielt (nach Lage der Akten) die Tätigkeit als Landschaftsbauer nicht mehr für zumutbar, den Kläger ansonsten jedoch für in der Lage, leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen ohne besondere Belastung des Bewegungs- und Halteapparates und ohne zusätzliche Gefährdungs- und Belastungsfaktoren 6 Stunden und mehr arbeitstäglich zu verrichten (Gutachten vom 15.12.2006). Facharzt für Orthopädie Dr. T3 aus B schloss sich als weiterer Gutachter nach Untersuchung des Klägers am 16.11.2006 dieser Beurteilung an (Gutachten vom 30.11.2006). Die Beklagte lehnte ab, Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren, da der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig erwerbstätig sein könne (Bescheid vom 15.1.2007; Widerspruchsbescheid vom 17.7.2007).

Mit seiner Klage vom 3.8.2007 hat der Kläger behauptet, in der Zusammenschau aller Erkrankungen nicht mehr in der Lage zu sein, vollschichtig und regelmäßig einer gewinnbringenden Tätigkeit nachzugehen. Die Gesundheitsstörungen seien so schwerwiegend, dass er unter Bewegungseinschränkungen und großen Schmerzen leide. Es liege eine Vielzahl von Leistungseinschränkungen vor, insbesondere sei zu beachten, dass er nur noch in wechselnder Körperhaltung und ohne Anforderungen an die rechte Hand arbeiten könne. Eine zumutbare Verweisungstätigkeit sei weder von der Beklagten benannt noch ersichtlich.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger eine gutachterliche Stellungnahme des Psychiaters T2 aus X (vom gleichen Tag) vorgelegt. Dieser Arzt hat von einer Behandlung seit Januar 2010 berichtet; aufgrund gravierender psychiatrischer Leistungseinschränkungen sei eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch für 4 bis unter sechs Stunden täglich möglich.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.7.2007 zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller ...

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