Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 2108. arbeitstechnische Voraussetzung. Heben und Tragen schwerer Lasten. Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung. Dosisberechnung. Gesamtbelastungsdosis. DWS 2. Kfz-Mechaniker

 

Orientierungssatz

Zur Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule eines Kfz-Schlossers, der einer Gesamtbelastungsdosis von zumindest 18,5 MNh ausgesetzt war.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.04.2015; Aktenzeichen B 2 U 20/14 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 10.01.2011 aufgehoben.

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 07.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2010 verurteilt, bei dem Kläger das Vorliegen einer Berufskrankheit nach der Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen.

Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 2108 (BK 2108) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV). Die BK 2108 erfasst bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule - LWS - durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Der 1953 geborene Kläger absolvierte von August 1968 bis Juni 1972 eine Lehre zum KFZ-Mechaniker und arbeitete in diesem Beruf anschließend - unterbrochen von dem Wehrdienst im Bereich Instandhaltung in einem Pionierbataillon von Januar 1973 bis März 1974 - bis Januar 1979 in dem - nicht mehr existierenden - Ausbildungsunternehmen, dem V.-Autohaus U in C. Danach war er bis zum 15.09.2008 als Betriebsschlosser, Maschinenschlosser bzw. Bau- und Instandhaltungsschlosser bei der Firma J GmbH & Co. KG in M mit der Instandsetzung des Maschinenparks und der Wartung von Maschinen befasst.

Die Deutsche Rentenversicherung Westfalen bewilligte ihm Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit unter Zugrundelegung eines Leistungsfalls vom 15.09.2008, dem Beginn einer Arbeitsunfähigkeit wegen Lumboischialgien , ab 01.10.2008 (Bescheid vom 29.04.2009). Eine auf Rente wegen voller Erwerbsminderung gerichtete Klage (S 19 R 257/09) wies das Sozialgericht (SG) Detmold ab (Urteil vom 23.02.2011). Das nachfolgende Berufungsverfahren (L 14 R 305/11) ist noch anhängig.

Im Februar 2009 beantragte der Kläger die Anerkennung einer BK 2108. Auf Anfrage der Berufsgenossenschaft Metall Nord Süd (deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, nachfolgend: Beklagte) teilte er mit (26.02.2009), erhebliche Wirbelsäulenbeschwerden seien - nach Anfangen des Schmerzempfindens in 2002 - in 2008 aufgetreten. Vor ca. 5-10 Jahren sei er wegen Wirbelsäulenbeschwerden in ärztlicher Behandlung gewesen. Bei seiner Tätigkeit sei er in ca. 200 Arbeitsschichten pro Jahr häufig mit dem Heben und Tragen von Lasten auch über 25 kg befasst gewesen. Die Lasten seien über Entfernungen von 1 bis 2 m getragen und Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung seien in ca. 100 Arbeitsschichten pro Jahr für ca. 30 Minuten pro Arbeitsschicht ausgeübt worden. Ganzkörper-Schwingungen seien durch Fahren auf unebenem Gelände nicht vorgekommen.

Die Beklagte zog Unterlagen der behandelnden Ärzte Dres. H u. a., Auskünfte der AOK Westfalen-Lippe (17.03.2009) und der letzten Beschäftigungsfirma (08.04.2009) sowie den Entlassungsbericht über eine im Dezember 2008 durchgeführte Reha-Maßnahme (06.01.2009) bei. Dort hatte der Kläger angegeben, bei den Montagearbeiten an Maschinen falle Heben von 10 - 15 kg (Welle) oder bis 20 kg (Elektromotor) an, die schweren Lasten zweimal pro Tag. Schwere Lasten würden auch geschoben, wobei das Gewicht nicht genau angegeben werden könne. Nach der Auskunft der Firma J GmbH & Co. KG fiel bei der Tätigkeit des Klägers in ca. 150 Arbeitsschichten pro Jahr das Heben diverser Maschinenteile mit Gewichten zwischen 1 bis 70 kg an. Pro Arbeitsschicht seien ca. 10 mal Gewichte bis 10 kg, ca. 10 mal Gewichte zwischen 10 bis 15 kg, ca. 5 mal Gewichte zwischen 15 bis 20 kg, ca. 3 mal Gewichte zwischen 20 bis 25 kg sowie gelegentlich Gewichte von mehr als 25 kg von Hand gehoben worden. In extremer Rumpfbeugehaltung sei in ca. 110 Arbeitsschichten pro Jahr für ca. 30 Minuten bei einer Dauer des einzelnen Arbeitsvorganges von 3 bis 4 Minuten gearbeitet worden. Ganzkörper-Schwingungen im Sitzen durch Fahren auf unebenem Gelände seien nicht angefallen. Laut Auskunft der AOK bestand Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer Lumbalgie erstmals vom 11. bis 15.04.1983, wegen einer Ischialgie erstmals vom 06. bis 08.08.1986. Danach wurden Arbeitsunfähigkeiten wegen Muskelverspannungen im Nackenbereich vom 23. bis 26.10.1990, wegen Schmerzen im Rücken vom 14....

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge