nicht rechtskräftig

 

Verfahrensgang

SG Köln (Entscheidung vom 04.01.1999; Aktenzeichen S 8 (6) RA 295/97)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.09.2003; Aktenzeichen B 12 RA 7/01 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 04.01.1999 wird zurückgewiesen. Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Befreiung von der Beitragspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung, hilfsweise eine Verminderung der Beitragshöhe sowie eine Erstattung gezahlter Beiträge.

Der 1954 geborene Kläger ist verheiratet und Vater dreier in den Jahren 1990, 1993 und 1996 geborener Kinder. Seit 1990 ist er als angestellter Journalist beschäftigt, seine der zeitige Arbeitgeberin ist die Beigeladene zu 2). Nach eigenen Angaben betrug sein Monatsbruttoverdienst im Jahr 1997 5.000,- DM nebst Sonderzahlungen. Netto wurden ihm nach eigenen Angaben nach Abzug von Steuern, Sozialversicherungsbeiträgen und ohne Berücksichtigung des Kindergeldes 3.530,- DM ausgezahlt. Seine 1960 geborene Ehefrau ist nicht erwerbstätig.

Am 13.03.1997 beantragte der Kläger bei der Beklagten, auf die Erhebung von Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung zu verzichten. Er meinte, bei steigenden Beiträgen und sinkenden Leistungen sei private Vorsorge geboten, die sich eine fünfköpfige Familie mit durchschnittlichem Einkommen nicht leisten könne. Durch die Erziehung der Kinder trage er zudem zur Bestandssicherung der gesetzlichen Rentenversicherung bei. Schließlich sei die Generationengerechtigkeit nicht gewährleistet.

Mit Bescheid vom 31.7.1997 und Widerspruchsbescheid vom 10.2.1998 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil eine gesetzliche Grundlage zur Befreiung von der Versicherungspflicht nicht bestehe und die Beitragspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht verfassungswidrig sei.

Der Kläger hat die hiergegen rechtzeitig erhobene Klage zusammengefasst wie folgt begründet:

1. Die Beitragserhebung verstoße schon deswegen gegen die durch Art 2 Abs 1 GG garantierte allgemeine Handlungsfreiheit, weil die gesetzliche Grundlage formell rechtswidrig sei. Denn der Bundesgesetzgeber habe keine Kompetenz zum Erlass des Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI - gehabt. Diese Kompetenz ergebe sich insbesondere nicht aus Art. 74 Abs 1 Nr. 12 GG. Zwar habe nach dieser Vorschrift der Bundesgesetzgeber die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Sozialversicherung. Die gesetzliche Rentenversicherung sei hingegen keine Sozialversicherung mehr. Der Verfassungsgeber habe bei Verabschiedung von Art. 74 Abs 1 Nr. 12 GG das Bild der klassischen Sozialversicherung vor Augen gehabt. Die gesetzliche Rentenversicherung entspreche diesem Bild nicht mehr. Weil rund 85 % der Bevölkerung in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert seien, könne von einem für die Sozialversicherung typischen abgrenzbaren Solidarkollektiv nicht mehr die Rede sein. Die für jedes Sozialsystem typische Umverteilung von oben nach unten sei zu einer Umverteilung von unten nach oben geworden. Durch die Einbeziehung versicherungsfremder Leistungen werde die gesetzliche Rentenversicherung zusätzlich dazu missbraucht, allgemeine Staatsaufgaben zu finanzieren. Zu berücksichtigen sei zudem, dass die Rentenversicherung - entgegen ihrer ursprünglichen Konzeption - heute nicht mehr geeignet sei, eine angemessene Altersversorgung zu sichern.

Die formelle Rechtswidrigkeit der gesetzlichen Grundlagen für die Beitragserhebung resultiere auch aus einem Verstoß gegen die Finanzverfassung des Grundgesetzes. Beitragsfinanzierung sei nur für homogene Sondergruppen zulässig. Aus der Feststellung fehlender Gruppenhomogenität folge die prinzipielle Unzulässigkeit der beitragsfinanzierten Sozialversicherung. Die von der Rentenversicherung abgedeckten Gemeinschaftsaufgaben seien durch Steuern zu finanzieren. Schließlich sei das Umlagesystem bei gleichzeitigem eigentumsrechtlichem Schutz der Rentenanwartschaften der Sache nach eine Kreditaufnahme und damit ein Verstoß gegen Art. 115 GG.

2. Die Zwangsmitgliedschaft und Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung verstoße auch materiell gegen die in Art. 2 Abs. 1 GG normierte allgemeine Handlungsfreiheit. Denn die gesetzliche Rentenversicherung sei kein zur Gewährleistung einer angemessenen Altersvorsorge geeignetes System. Während das Rentenniveau sinke, steige die Beitragslast. Eine angemessene Rendite werde durch die gesetzliche Rentenversicherung nicht mehr gewährleistet. Nicht einmal eine Verzinsung von 4 % werde erreicht. Zu berücksichtigen sei hierbei, dass Beitragspflichtige Einzahlungen nicht nur über Beiträge, sondern auch durch Steuern leisteten, weil der Bundeszuschuss zur Finanzierung der Rentenversicherung beitrage.

Die mangelhafte Rendite ließe sich auch nicht durch einen Solidarausgleich rechtfertigen, weil sowohl die Finanzierungs- als auch die Leistungsseite des Sozialbudgets Verteilungsasymmetrien zu Lasten der...

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