Entscheidungsstichwort (Thema)

Zahnarzt. Ermächtigung. Altersgrenze nach § 95 Abs 7 SGB 5 ist verfassungsgemäß

 

Orientierungssatz

1. Die subjektive Berufszulassungsbeschränkung durch eine Altersgrenze (hier: § 95 Abs 4 S 3 iVm Abs 7 SGB 5) ist durch gewichtige Allgemeininteressen gerechtfertigt, die den Interessen der betroffenen Ärzte bzw Zahnärzte auf ungehinderte berufliche Entfaltung vorgehen (vgl BVerfG vom 31.3.1998 - 1 BvR 2167/93 = SozR 3-2500 § 95 Nr 17).

2. Art 14 Abs 1 GG scheidet als Prüfungsmaßstab aus, weil sich die Vorschrift des § 95 Abs 7 SGB 5 allein auf die berufliche Tätigkeit bezieht (vgl BVerfG vom 31.3.1998 - 1 BvR 2167/93 aaO).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 13.12.2000; Aktenzeichen B 6 KA 38/00 B)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Beendigung der Ermächtigung der Klägerin zum 01.01.1999.

Die Klägerin ist ... 1913 geboren und seit 1946 in E als Kieferorthopädin niedergelassen. An der kassenärztlichen Versorgung nahm sie vom 05.01.1955 bis zum 08.11.1963 im Rahmen einer Zulassung und dann erneut ab dem 01.07.1984 im Rahmen einer Ermächtigung teil. Seit dem 01.01.1991 betrieb die Klägerin mit der Zahnärztin Dr. P eine kieferorthopädische Gemeinschaftspraxis.

Mit Beschluß vom 24.11.1998 stellte der Beklagte zu 1) die Beendigung der Ermächtigung der Klägerin zum 01.01.1999 fest.

Die Klägerin erhob hiergegen Widerspruch mit der Begründung, dass Art. 33 § 1 des Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung -- Gesundheitsstrukturgesetz -- (GSG) sowie § 95 Abs. 4 Sätze 3 und 7 SGB V und § 28 Abs. 1 der Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte unwirksam seien. Sie verstießen gegen Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz sowie gegen die Europäische Konvention gegen Diskriminierung. Es würden hier ältere Zahnärzte zu Lasten der jüngeren diskriminiert. Sie selbst sei aber noch leistungsfähig und praktiziere auch noch. Außerdem sei die Ermächtigung im Jahre 1984 unwiderruflich erteilt worden.

Diesen Widerspruch wies die Beklagte durch Beschluß vom 25.01.1999 zurück. Art. 33 § 1 GSG und § 95 Abs. 7 Satz 2 SGB V seien mit dem Grundgesetz vereinbar. Das Bundesverfassungsgericht habe die Altersgrenze von 68 Jahren durch Beschlüsse vom 31.03.1998 ebenso wie das BSG in seinem Urteil vom 25.11.1998 bestätigt.

Zur Begründung der hiergegen gerichteten Klage hat die Klägerin erneut vorgetragen, die Bestimmungen zur Altersgrenze seien verfassungswidrig. Es werde kein Äquivalent für die Einschränkung der entzogenen vermögenswerten Rechte gewährt, so daß ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 2 Grundgesetz vorliege. Auf den Schutz der Patienten könne nicht verwiesen werden, weil die betroffenen Ärzte weiterhin Privatpatienten behandeln dürften. Die nur wegen des Alters erfolgte Rücknahme der Ermächtigung verletze sie in ihrer personalen und menschlichen Würde. Bei ihr seien gerade die langjährige Erfahrung und das Alter ein besonders positives Moment für die Patienten.

Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,

den Beschluß der Beklagten zu 1) vom 24.11.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.01.1999 aufzuheben,

hilfsweise,

ihr für die Rücknahme der Ermächtigung eine Entschädigung in Form einer zu zahlenden angemessenen monatlichen Rente von 4000,-- DM zu gewähren.

Die Beklagte zu 1) hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beigeladene zu 3) hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte sowie der Beigeladene zu 3) haben keinen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Altersgrenze. Die Klägerin sei auch über 23 Jahre vertragszahnärztlich tätig gewesen, so dass kein Härtefall vorliege.

Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 27.09.1999 die Klage abgewiesen. Nach §§ 72 Abs. 1 Satz 2, 95 Abs. 4 Satz 3 in Verbindung mit Abs. 7 Satz 2 SGB V ende ab dem 01.01.1999 die Zulassung am Ende des Kalendervierteljahres, in dem der Vertragszahnarzt sein 68. Lebensjahr vollende. Die Klägerin habe ihr 68. Lebensjahr bereits am 14.07.1981 vollendet. An der vertragszahnärztlichen Versorgung habe sie über mehr als 23 Jahre mitgewirkt, so dass ein Ausnahmetatbestand nicht vorliege. Die Vorschriften zur Altersgrenze bei Vertragszahnärzten verstießen nicht gegen Grundrechte. Das Sozialgericht hat sich dabei auf die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts 31.03.1998 sowie das Urteil des Bundessozialgerichts vom 25.11.1998 gestützt.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie verweist erneut darauf, daß ihr die Ermächtigung 1984 ohne Zeitbegrenzung erteilt worden sei. Im übrigen liege eine grundgesetzwidrige Altersdiskriminierung vor. Diese Diskriminierung verstoße auch gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und die Konvention der Vereinten Nation.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 27.09.1999 abzuändern und festzustellen, daß die Ermächtigung der Klägerin über den 31.12.1998 hinaus fortbesteht.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten die angefochtene Ent...

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