Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 2108. bisegmentaler Bandscheibenschaden ohne Begleitspondylose. haftungsbegründende Kausalität. Konsensempfehlungen. Befundkonstellation 2. Zusatzkriterium 1. Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben. Betroffensein von mindestens drei Bandscheiben

 

Orientierungssatz

Im Rahmen der Anerkennung einer Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 2108 müssen für die Befundkonstellation "B2", 1. Zusatzkriterium - 1. Alt als "Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben mindestens drei Bandscheiben betroffen sein, ein bisegmentaler Befund (hier: L5/S1 und L4/L5) reicht hierfür nicht aus.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 06.09.2018; Aktenzeichen B 2 U 13/17 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 14.04.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV). Hierbei handelt es sich um eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Der 1964 geborene Kläger ist gelernter Schlosser bzw. Schmied und war nach seiner Lehre, die im Juni 1984 endete, von 1984 bis 1987 als Schlosser im Fahrzeugbau tätig. Von 1987 bis 1993 arbeitete er als Fuhrparkmitarbeiter bei einem Fuhr- bzw. Taxiunternehmen, von 1993 bis 2011 als Angestellter in der Verwaltung eines Groß- und Einzelhandelsunternehmens (Fa. S in N), von April 2011 bis April 2012 war er für die C Transfergesellschaft tätig.

Im Januar 2011 zeigte die behandelnde Ärztin des Klägers der Beklagten den Verdacht des Vorliegens einer BK an. Beim Kläger bestünden seit Jahren Beschwerden im LWS- Bereich, seit zwei Jahren deutlich verstärkt, hinzu kämen chronisch rezidivierende Cervicobrachialgien bei Bandscheibenprotrusionen C4/5, C5/6 und C6/7. Der Kläger habe als kaufmännischer Angestellter der Fa. S in der Poststelle zuletzt schwere Aluminiumkisten getragen, zudem schwere Pakete. Telefonisch befragt gab der Kläger im Februar 2011 an, seit ca. 10 Jahren unter Wirbelsäulenbeschwerden zu leiden; die Beschwerden führe er auf das Heben und Tragen von Postkästen bei der Fa. S zurück. Aktuell führe er keine wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten mehr aus.

Der Präventionsdienst der Beklagten ermittelte unter dem 28.03.2011, 20.06.2011 und 09.08.2011 für den Zeitraum von März 1993 bis April 2011 eine berufliche Belastungsdosis i.H.v. 19,6 MNh. Am 06.02.2012 teilte der Präventionsdienst ergänzend mit, die Zusatzkriterien der Konstellation B2 "Besonders intensive Belastung durch Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren" sowie "Besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen" seien nicht erfüllt.

Der Orthopäde und Unfallchirurg Dr. C, Parkklinik Bad S, erstattete unter dem 26.07.2011 ein Gutachten für die Beklagte, in dem er empfahl, die LWS-Erkrankung des Klägers als BK 2108 anzuerkennen und die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf 20 v.H. schätzte. Er führte aus, eine bandscheibenbedingte Erkrankung liege vor in Form eines chronischen, zeitweise pseudoradikulären Lumbalsyndroms bei Bandscheibendegeneration mit Osteochondrose L4/5 und L5/S1. Die Erkrankung sei der Konstellation B4 zuzuordnen, da eine Erkrankung in Höhe L5/S1 und/oder L4/5 in Ausprägung einer Chondrose Grad II oder mehr vorliege und konkurrierende Ursachen nicht ersichtlich seien. Bei Beteiligung der Segmente L4/L5 und L5/S1 liege auch eine Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben vor. Eine Begleitspondylose liege nicht vor. Die Bandscheibenschäden an der HWS seien schwächer ausgeprägt als an der LWS.

Hierzu führte die Beratungsärztin der Beklagten Dr. I unter dem 26.03.2012 aus, auf einer Kernspintomographie (MRT) vom 28.12.2006 zeige sich im Segment L5/S1 eine Chondrose Grad II und ein Bandscheibenvorfall, im Segment L4/5 eine Protrusion, ein Vorfall sei hier nicht zu erkennen, auch keine Black Disc im Vollbild. Die übrigen Bandscheiben der LWS seien unauffällig. An der Halswirbelsäule (HWS) fänden sich degenerative Veränderungen im Segment C5/C6, geringer auch bei C4/C5. Entgegen Dr. C gehe sie von einer Konstellation B3 aus: die Konstellation B4 setze das Vorliegen einer Konstellation B2 voraus, diese liege aber nicht vor.

Hierzu erklärte Dr. C in einer ergänzenden Stellungnahme vom 04.05.2012, es liege eine bisegmentale Erkrankung vor, da sich im Segment L4/5 eine Osteochondrose Grad II und im Segment L 5/S1 ein Bandscheibenvorfall finde. Damit sei die Konstellation B2 grundsätzlich erfüllt.

Die Beklagte bat daraufh...

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