Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosenhilfeanspruch. Ruhen. Aufforderung zur Stellung eines Antrags auf Altersrente. Ermessensausübung bei atypischen Fällen. niedrigere Rentenzahlung. Verwaltungsakt

 

Orientierungssatz

1. Die Bundesanstalt für Arbeit hat im Rahmen der Aufforderung zur Rentenbeantragung iS des § 134 Abs 3c AFG Ermessen auszuüben, wenn ein atypischer Sachverhalt vorliegt. Es ist von einer Atypik auszugehen, wenn die zu erwartende Rente niedriger ist als die zustehende Arbeitslosenhilfe (vgl BSG vom 27.7.2000 - B 7 AL 42/99 R = BSGE 87, 31 = SozR 3-4100 § 134 Nr 22).

2. Bei der Aufforderung der Bundesanstalt für Arbeit an einen Empfänger von Arbeitslosenhilfe, einen Antrag auf Altersrente zu stellen, handelt es sich um einen Verwaltungsakt (vgl BSG, aaO).

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 01.11.1996 bis 31.03.1997.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger zuletzt für den Bewilligungsabschnitt bis 31.10.1996 Alhi in Höhe von 320,40 DM wöchentlich (=1.388,40 DM monatlich). Sie forderte ihn gemäß § 134 Abs. 3 c Arbeitsförderungsgesetz (AFG) mit Schreiben vom Juni 1996 auf, bis zum 31.07.1996 beim zuständigen Rentenversicherungsträger einen Antrag auf Rente wegen Alters zu stellen, weil er die entsprechenden Voraussetzungen erfülle. Sie stellte zudem mit Wirkung ab 01.08.1996 die Zahlung der Alhi ein. Nachdem der Rentenversicherungsträger mitgeteilt hatte, die Altersrente werde ab 01.08.1996 monatlich 734,34 DM betragen, nahm der Kläger seinen Rentenantrag zurück und erhob gegen die Einstellung der Leistung zum 01.08.1996 Widerspruch. Die Beklagte entzog ihm daraufhin wegen der Verletzung der Mitwirkungspflicht nach § 60 Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren (SGB X) die Alhi, weil der Kläger nicht den Nachweis der Rentenantragstellung erbracht habe. Das Sozialgericht Duisburg (Az.: S 14 Ar 275/96) hob den Entziehungsbescheid im nachfolgenden Klageverfahren durch Urteil vom 23.12.1996 auf und verurteilte die Beklagte, Alhi bis zum Ablauf des Bewilligungsabschnittes am 31.10.1996 weiter zu zahlen, was sie tat.

Der Kläger beantragte am 23.12.1996 die Weiterbewilligung der Alhi ab 01.11.1996. Er gab an, er sei weiterhin nicht bereit, einen Rentenantrag zu stellen. Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 28.01.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.05.1997 ab. Sie führte aus, sie sei nach § 134 Abs 3 c AFG nicht verpflichtet, Alhi ab 01.11.1996 zu bewilligen, weil der Kläger der Aufforderung zur Beantragung der Rente wegen Alters nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von einem Monat nachgekommen sei. Der Alhi-Anspruch ruhe daher bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Kläger den Antrag gestellt habe (zugestellt am 26.05.1997).

Hiergegen richtet sich die am 06.06.1997 erhobene Klage. Der Kläger hat zu deren Begründung vorgetragen, er sei nicht zur Beantragung der Rente verpflichtet, weil die Aufforderung der Beklagten rechtswidrig sei. § 134 Abs 3 c AFG räume ihr auf Grund der "Soll-" Bestimmung ein gebundenes Ermessen ein, das auszuüben sei, wenn ein atypischer Fall vorliege. Dies sei der Fall, weil die zu erwartende Altersrente erheblich niedriger sei als die Alhi. Er werde auf diese Weise gezwungen, Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen. Zwischenzeitlich beziehe er aber die Altersrente ab 01.04.1997.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 28.01.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.05.1997 Arbeitslosenhilfe in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 01.11.1996 bis 31.03.1997 zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die angefochtenen Bescheide für Rechtens gehalten und ausgeführt, es lägen keine Anhaltspunkte für eine Atypik vor. Der Gesetzgeber habe ganz bewusst in Kauf genommen, dass eine Verschlechterung im Leistungsbezug entstehen könne, wenn der Arbeitslose an Stelle der Alhi die Altersrente beziehe.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 11.08.1998 abgewiesen. Es hat sich der Auffassung der Beklagten angeschlossen.

Gegen das am 04.09.1998 zugestellte Urteil richtet sich die am 02.10.1998 eingelegte Berufung des Klägers. Er ist zu deren Begründung weiterhin der Auffassung, er sei im Hinblick auf die zu erwartende erheblich niedrigere Altersrente nicht verpflichtet gewesen, den Rentenantrag zu stellen. Es liege ein atypischer Sachverhalt vor, so dass die Aufforderung rechtswidrig sei, weil die Beklagte nicht ihr Ermessen ausgeübt habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 11.08.1998 zu ändern und nach dem Klageantrag erster Instanz zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und das am 27.07.2000 ergangene Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) -- B 7 AL 42/99 -- zum vergleichbaren Sachverhalt nicht für überzeugend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sow...

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