Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweiswürdigung im Opferentschädigungsrecht

 

Orientierungssatz

1. Zur Gewährung von Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz muss der vorsätzliche, rechtswidrige tätliche Angriff nachgewiesen sein. Dazu müssen die den Anspruch begründenden Tatsachen mit einer an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit oder einem so hohen Grad an Wahrscheinlichkeit feststehen, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifelt.

2. Nach der Beweiserleichterung des § 15 KOWfG, die für Gewaltopfer gemäß § 6 Abs. 3 OEG Anwendung findet, sind, wenn Unterlagen zum Tathergang nicht vorhanden sind, die Angaben des Antragstellers, welche sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, zu Grunde zu legen, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen.

3. Die Anwendung dieses Maßstabes setzt voraus, dass der Antragsteller Angaben zu den entscheidungserheblichen Fragen aus eigenem Wissen machen kann und widerspruchsfrei vorträgt.

4. Lässt sich der vorsätzliche, rechtswidrige tätliche Angriff nicht zur vollen richterlichen Überzeugung feststellen, so ist nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Antragstellers zu entscheiden.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.05.2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Versorgung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz-OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Der 1951 geborene Kläger traf sich am Abend des 18.07.1997 mit früheren Arbeitskollegen zum Stammtisch in einem Lokal, in dem gemeinsam gegessen und getrunken wurde. Der Kläger nahm etliche Gläser Bier zu sich. Nach Verlassen des Lokals suchte er noch mehrere Gaststätten auf, in denen er weitere Glas Bier trank. Anschließend begab er sich zum Busbahnhof, wo er auf den Spätbus wartete, mit dem er nach Hause fahren wollte. Der Busfahrer H T, der mit seinem Bus gegen 01.45 Uhr (19.07.1997) am Busbahnhof eintraf, bemerkte den auf der Fahrbahn liegenden Kläger und rief den Rettungswagen herbei, mit dem der Kläger in das Klinikum M eingeliefert wurde. Dort wurden bei dem als bei der Einlieferung stark alkoholisiert beschriebenen Kläger eine dislozierte Nasenbeinfraktur, Orbitadachfraktur rechts, Ober- und Unterlippenplatzwunde, ausgedehnte Schürfwunden der Stirn, multiple Prellungen und das Fehlen des 1. Schneidezahnes oben rechts festgestellt. Am 25.07,1997 wurde der Kläger in die Abteilung für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie der St. M Klinik, T, verlegt, in der die Nasenbeinfraktur operiert wurde. Die Entlassung aus stationärer Behandlung erfolgte am 05.08.1997. Bereits am 23.07.1997 meldete der Kläger telefonisch der Polizei M, er sei vermutlich am 19.07.1997 zusammengeschlagen worden. Am 15.08.1997 stellte er Strafanzeige wegen gefährlicher Körperverletzung. Unmittelbare Tatzeugen ließen sich nicht ermitteln. Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt.

Am 01.09.1997 beantragte der Kläger Leistungen nach dem OEG; er sei am 19.07.1997 gegen 0.30 Uhr, als er auf den Spätbus gewartet habe und eingeschlafen sei, geschlagen worden. Dadurch sei er wach geworden und habe die Schläge abwehren wollen. Danach habe er das Bewusstsein verloren. Weder zu Tatverursacher noch -zeugen waren im Antrag Angaben enthalten. Als Folge der Gewalttat machte der Kläger Kopfschmerzen, einen Verlust des Geruchs- und Geschmackssinnes sowie eine Knieverletzung geltend. Im Zuge seiner Ermittlungen zog der Beklagte den Arztbrief des Dr. N, Abteilung für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie der St. M Klinik, vom 01.10.1997 über die dort erfolgte stationäre Behandlung bei. Ferner holte er Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. S, Dr. M, Dr. S1 und Dr. W ein. Schließlich zog der Beklagte von der Staatsanwaltschaft (StA) L die Akten - 000 - bei. Gegenüber den ihn am 23.07.1997 im Klinikum M aufsuchenden Polizeibeamten hat der Kläger ausweislich des in den Ermittlungsakten enthaltenen Polizeiberichts erklärt, er sei vermutlich von mindestens einer Person zusammengeschlagen worden; vom Verlassen des Lokals an könne er sich jedoch an keine Einzelheiten mehr erinnern; im Verlauf des Abends habe er ca. 35 Gläser Bier (a 0,2l) zu sich genommen. In der Strafanzeige vom 15.08.1997 hat der Kläger die genossene Alkoholmenge mit ca. 25 Bier angegeben und zum Hergang erklärt, dass er am Busbahnhof eingedöst und durch Ohrfeigen wach geworden sei. Eine Person sei Kung-Fu-mäßig vor ihm herumgesprungen. Ob noch andere Personen da gewesen seien, wisse er nicht. Er habe versucht, die Person auf Distanz zu halten. Ab diesem Zeitpunkt wisse er nichts mehr. Er meine, dass es sich bei dieser Person, die er schon öfter im Bus gesehen habe, um einen Polen gehandelt habe, denn er habe schon mal polnische Worte gebraucht. Der am 08.10.1997 von der Polizei als Zeuge vernommene Busfahrer...

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