Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kostenübernahme bei Erforderlich- bzw Nichterforderlichkeit einer stationären Krankenhausbehandlung

 

Orientierungssatz

1. Die Krankenkasse ist verpflichtet, dem Krankenhausträger die Kosten einer durchgeführten stationären Behandlung zu erstatten, wenn die Versorgung des bei ihr Versicherten erforderlich war. Sie ist dann nicht zur Zahlung zu verurteilen, wenn sie noch im Verlauf eines gerichtlichen Verfahrens ihre Einwände gegen eine stationäre Behandlungsbedürftigkeit spezifiziert und sich eine Behandlung als medizinisch nicht indiziert erweist.

2. War die durchgeführte stationäre Behandlung nicht erforderlich, weil für den entsprechenden Zeitraum rehabilitative Maßnahmen ausreichend gewesen wären, so besteht eine Zahlungspflicht der Krankenkasse nicht. Steht bei einem Versicherten dessen Alkoholerkrankung im Vordergrund und bestehen nach längerer stationärer Behandlungsdauer keine neurologischen oder internistischen Begleiterscheinungen, so fehlt es von diesem Zeitpunkt an, an dem Erfordernis stationärer Behandlungsbedürftigkeit. Indizwirkung besitzt insoweit die Verlaufsdokumentation anhand der Krankenakte.

3. Lassen die entsprechenden Eintragungen darauf schließen, dass der Versicherte von einem bestimmten Zeitpunkt an sich nicht mehr in einer akuten Behandlungsphase, sondern in einer ausreichend stabilen Remissionsphase befand, so fehlt es von da an, an dem Erfordernis stationärer Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit. Die Krankenkasse ist dann nicht mehr zur Kostentragung verpflichtet.

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.06.2009 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Übernahme der Kosten für eine stationäre Behandlung des Versicherten N in der Zeit vom 24.07.2002 bis 11.09.2002.

Der am 00.00.1967 geborene, bei der beklagten Krankenkasse gesetzlich Versicherte ist alkoholabhängig. Erster Kontakt mit Alkohol bestand ab dem 12. Lebensjahr, etwa ab dem 14. Lebensjahr Cannabiskonsum und ab etwa dem 25. Lebensjahr phasenweiser Konsum von Speed und Kokain. Er führte zahlreiche Entzugsbehandlungen sowie - vor dem streitigen Krankenhausaufenthalt - fünf Langzeittherapien (davon drei abgebrochen) durch. Zuletzt wurde er - nach Aktenlage - wegen akuter schwerer Alkoholintoxikation vom 27.03.2002 bis 30.05.2002 (mit einer kurzen Unterbrechung am 02.05. und 03.05.2002) in den Rheinischen Kliniken L stationär behandelt. Acht Tage nach seiner Entlassung wurde der Versicherte zum erneuten Alkoholentzug/Entgiftung in den Rheinischen Kliniken N und L vom 30.04.2002 bis 24.06.2002 behandelt. Nach Abschluss brachte ihn ein Sozialarbeiter am 24.06.2002 in die ebenfalls von dem Beklagten betriebenen Rheinischen Kliniken M, wo er mit der ICD-Diagnose F 10.2 (Abhängigkeitssyndrom vom Alkohol) mit dem "Ziel der psychosozialen Stabilisierung" auf einer sozio- und milieutherapeutischen Station für chronisch kranke und mehrfachgeschädigte Alkoholiker vollstationär aufgenommen wurde. Das psychische Verhalten des Versicherten wurde als "wach, orientiert, geordnet, psychomotorisch ruhig, ohne formale oder inhaltliche Denkstörungen und ohne Suizidalität" beschrieben. Unter dem 25.06.2002 erfolgte sodann eine eingehende psychiatrische Untersuchung, im Rahmen derer zusätzlich eine Polytoxikomanie, eine Borderline-Persönlichkeitsstörung und eine Neigung zu Impulskontrollverlust diagnostiziert wurde. Der Versicherte habe sich in seinen Schilderungen als eher raumgreifend und ausschweifend erwiesen, habe mehrfach begrenzt und strukturiert werden müssen. Die zeitliche Einordnung bestimmter Ereignisse sei zum Teil erschwert. Im Übrigen erschienen Auffassung, Konzentration und Gedächtnis grob orientierend weitgehend unbeeinträchtigt. Es bestehe ausreichend Krankeneinsicht und Therapiemotivation.

Die Klägerin befristete ihre Kostenzusage auf sieben Tage. Seinen Verlängerungsantrag vom 05.07.2002 begründete der Beklagte mit "nicht ausreichender ambulanter Behandlung". Behandlungsziele seien (körperlich) die Stabilisierung, Behandlung der Begleit- und Folgerkrankungen, (psychisch) die Förderung der kognitiven Fähigkeiten und der Abstinenzbefähigung und (sozial) die Vermittlung in eine soziotherapeutische Einrichtung. Die Entlassung sei für die erste Septemberwoche vorgesehen. Der von der Klägerin beauftragte Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeut Dr. N (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK) Nordrhein) hielt die beabsichtigte weitere stationäre Behandlung in seiner Stellungnahme vom 24.07.2002 für medizinisch nachvollziehbar bis 24.07.2002. Ab diesem Zeitpunkt sei vom Dominieren der Entwöhnung auszugehen; die Behandlung sei zwar sinnvoll, der Kostenträger müsse aber wechseln ("Reha ! SGB IX"). Die Ärztin für Psychiatrie S (MDK) teilte die Auffassung von Dr. N. Insbesondere vor dem Hintergrund von mindestens zehn sta...

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