Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflegeversicherung. keine Versicherungspflicht eines in einem Mitgliedstaat (hier: Spanien) lebenden Rentners, der eine deutsche und eine spanische Rente bezieht. Geltung der Vorschriften der EWGV 1408/71. "Mitnahme" eines Mitgliedschaftsverhältnisses

 

Orientierungssatz

1. Ein in Spanien lebender Rentner, der eine deutsche und eine spanische Rente bezieht, ist weder versicherungspflichtig noch versicherungsberechtigt in der deutschen sozialen Pflegeversicherung (Anschluss an BSG vom 26.1.2005 - B 12 P 4/02 R = SozR 4-2400 § 3 Nr 1 und B 12 P 9/03 P).

2. Aus den Regelungen des europäischen Gemeinschaftsrechts, insbesondere aus der EWGV 1408/71 des Rates vom 14.6.1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABL EG 1971, Nr L 49, 2), zuletzt geändert durch EGV 647/2005 vom 13.4.2005 (ABL EG 2005, Nr L 117, 1) folgt keine Versicherungspflicht zur deutschen Pflegeversicherung. Grundsätzlich ist die Verordnung auch für den Bereich der Pflegeversicherung sachlich anwendbar, da sie gemäß Art 4 Abs 1a für Leistungen bei Krankheit gilt und dieser Begriff auch die Leistungen bei Pflege umfasst (vgl EuGH vom 5.3.1998, C-160/96 = EuGHE I 1998, 843 = SozR 3300 § 34 Nr 2). Die Problematik des Bestehens/Weiterbestehens der Versicherungspflicht ist nicht Gegenstand der EWGV 1408/71. Die besonderen Koordinierungs- und Kollisionsvorschriften im Titel III Kap 1 Abschnitt 5 EWGV 1408/71, in denen ausdrücklich nur die Leistungsansprüche bzw Beitragspflichten der Rentner geregelt sind, sind eindeutig.

3. Die "Mitnahme" eines Mitgliedschaftsverhältnisses zur Krankenversicherung bei Übersiedlung in einen anderen Mitgliedstaat findet im Gemeinschaftsrecht keine Grundlage. Eine solche Interpretation des Gemeinschaftsrechts widerspricht im Übrigen der ausdrücklichen Maßgabe der Präambel der EWGV 1408/71. Danach soll für Arbeitnehmer, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern jeweils das System der sozialen Sicherheit nur eines Mitgliedstaates gelten. Der Verordnungsgeber wollte gerade eine Kumulierung der anzuwendenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften und der sich hieraus ergebenden Komplikationen vermeiden.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.12.2005 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der in Spanien lebende Kläger, der eine deutsche und eine spanische Rente bezieht, in der deutschen gesetzlichen Pflegeversicherung pflichtversichert ist.

Der 1948 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und lebt seit 1994 in Spanien. Er bezieht sowohl eine Rente vom deutschen Rentenversicherungsträger als auch eine Rente vom spanischen Rentenversicherungsträger.

Am 04.06.1999 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Anmeldung zur deutschen Pflegeversicherung. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 09.06.1999 mit der Begründung ab, dass der Kläger nicht in der gesetzlichen deutschen Krankenversicherung versichert sei und sich daher auch nicht in der gesetzlichen deutschen Pflegeversicherung versichern könne. Den gegen diesen Bescheid gerichteten Widerspruch des Klägers vom 28.06.1999 wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.1999 zurück. Die Krankenversicherung eines Rentners, der in Spanien wohne, werde gem. Art. 27 der EG-Verordnung (EWG-VO) 1408/71 nach spanischem Recht gewährt; damit entfalle die deutsche Krankenversicherung. Folglich könne auch die an die Krankenversicherung gekoppelte Pflegeversicherung nicht bestehen.

Der Kläger hat am 12.01.2000 Klage beim Sozialgericht Düsseldorf erhoben, mit der er weiterhin die Feststellung der Pflichtmitgliedschaft in der deutschen Pflegeversicherung begehrt. Hilfsweise möge dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt werden, ob Art. 27 der EWG-VO 1408/71 dahin ausgelegt werden müsse, dass ein Rentner, der deutsche und spanische Rente beziehe und in Spanien wohne, Mitglied der deutschen Pflegeversicherung sei. Zur Begründung hat der Kläger ausgeführt, seine Mitgliedschaft in der deutschen Krankenversicherung sei mit der Wohnsitznahme in Spanien nicht beendet worden. Nach § 190 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ende die Mitgliedschaft versicherungspflichtiger Rentner mit Ablauf des Monats, in dem der Anspruch auf Rente wegfalle bzw. unanfechtbar nicht mehr zu zahlen sei. Da ihm die deutsche Rente jeden Monat gezahlt werde, bestehe die deutsche Mitgliedschaft in der Krankenversicherung nach deutschem Recht zusammen mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß Art. 3 der EWG-VO 1408/71 und im Lichte von Art. 39, 42 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft weiter. Die Beklagte interpretiere die Vorschrift des Art. 27 EWG-VO 1408/71 falsch, wenn sie hieraus die Beendigung der Pflichtmitgliedschaft bei ein...

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