Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch eines an Schuppenflechte leidenden Versicherten auf Bewilligung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme am Toten Meer durch einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung

 

Orientierungssatz

1. Kann ein an Schuppenflechte leidender Versicherter ausschließlich durch eine medizinische Rehabilitation am Toten Meer erfolgsversprechend behandelt werden und ist keine vergleichbare Behandlungsmöglichkeit im Inland gegeben, so ist das dem Rentenversicherungsträger eingeräumte Ermessen auf Null reduziert.

2. Auf die Wirtschaftlichkeit der begehrten Maßnahme im Ausland iS des § 31 S 1 SGB 9 2018 kann es dann nicht ankommen, wenn ein qualitatives Versorgungsdefizit besteht.

3. In den Fällen eines qualitativen Versorgungsdefizites im Inland ist eine Ermessensreduzierung auf Null anzunehmen (vgl LSG Saarbrücken vom 1.3.2018 - L 1 R 7/17 = juris RdNr 41f sowie LSG München vom 25.6.2013 - L 6 R 921/11 = juris RdNr 34).

4. Hierbei ist unbeachtlich, dass der Versicherungsträger mit der Einrichtung im Ausland (hier: am Toten Meer) keinen Vertrag nach § 38 SGB 9 2018 abgeschlossen hat. Aufgrund der Ermessensreduzierung auf Null hat der Versicherte einen Anspruch darauf, dass der Rentenversicherungsträger einen entsprechenden Einzelvertrag abschließt (vgl LSG München vom 25.6.2013 - L 6 R 921/11 = juris RdNr 44 sowie vom 26.11.2008 - L 16 R 892/07 = juris RdNr 35).

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.12.2014 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme am Toten Meer.

Der am 00.00.1962 geborene Kläger ist als Qualitätstechniker beschäftigt. Er leidet seit mehr als 30 Jahren an einer Psoriasis vulgaris (Schuppenflechte). In den Jahren 1995 bis 2007 bewilligte die Beigeladene, seine gesetzliche Krankenkasse, dem Kläger sieben Kuraufenthalte am Toten Meer. In annähernd jedem Abschlussbericht wird eine vollständige Remission der Haut beschrieben. In der Zeit vom 27.04.2005 bis 20.05.2005 absolvierte der Kläger eine von der Beklagten bewilligte stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der U-Fachklinik in Bad T. Der Entlassungsbericht bescheinigt als Reha-Ergebnis eine "nahezu vollständige Abheilung aller Psoriasisherde".

Am 05.04.2013 beantragte der Kläger erneut bei der Beigeladenen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation am Toten Meer. Zur Begründung führte sein damals behandelnder Hautarzt Dr. M auf dem Verordnungsvordruck aus, die berufliche und private Leistungsfähigkeit des Klägers sei gemindert. Eine stationäre Behandlung am Toten Meer sei dringend und umgehend erforderlich. Der Kläger selbst gab in seinem Anschreiben an, zwischen 1995 und 2007 sieben erfolgreiche Aufenthalte am Toten Meer durchgeführt zu haben. Mit Schreiben vom 10.04.2013, eingegangen am 15.04.2013, leitete die Beigeladene den Antrag an die Beklagte weiter, da diese zuständig sei. Mit Bescheid vom 17.06.2013 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Schuppenflechte sei durch konsequente ambulante dermatologische Behandlung, gegebenenfalls durch eine Spezialsprechstunde einer spezialisierten Krankenhausabteilung, zu behandeln. Hierbei handele es sich nicht um Leistungen zur medizinischen Rehabilitation.

Den am 02.07.2013 erhobenen Widerspruch stützte der Kläger unter Beifügung eines Attestes seines Hautarztes Dr. M darauf, dass die Maßnahme am Toten Meer ohne mögliche Alternativen sei. Sie habe in der Vergangenheit bereits sehr gute Erfolge gezeigt. Ambulante und medikamentöse Behandlungen seien ausgeschöpft. Es sei eine stationäre Behandlung erforderlich. Die im europäischen Raum durchführbaren Therapiemaßnahmen seien nicht mit denen am Toten Meer vergleichbar. Dies bestätige auch das Attest seines behandelnden Arztes vom 11.06.2013.

Nach Einholung eines Befundberichtes von Dr. M bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 02.09.2013 eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der Fachklinik Bad C. Den hiergegen am 11.09.2013 erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass die vorgeschlagene Rehabilitationsklinik Bad C die dringend gebotene und alternativlose Behandlung nicht anbieten könne. Früher durchgeführte Kurmaßnahmen am Toten Meer hätten in Gegenüberstellung zu anderen Behandlungen in Deutschland wesentlich längere Phasen der Symptomfreiheit gebracht. Die Beklagte habe ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt.

Mit Schreiben vom 11.10.2013 bot die Beklagte dem Kläger an, die bewilligte stationäre Rehabilitationsmaßnahme auf Borkum oder in Bad Doberan durchzuführen. Dies lehnte der Kläger ab. Behandlungsmaßnahmen im Inland seien weder zielführend noch sinnvoll. Er werde keine Behandlung wahrnehmen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.01.2014 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück. Die von ihm gewünschte Einrichtung könne nu...

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