Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Unzulässigkeit der Anwendung der vertikalen Berechnungsmethode bei der Einkommensverteilung. Erstattungsanspruch des Bundes gegen eine Optionskommune wegen unzutreffender Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Horizontale Berechnungsmethode. Verwaltungsvereinbarung. Zweckwidrige Mittelverwendung. Grobe Fahrlässigkeit. Feststellungsklage. Feststellungsinteresse

 

Orientierungssatz

1. Innerhalb der Bedarfsgemeinschaft ist der individuelle Anspruch des einzelnen Partners auf Arbeitslosengeld II nach dem Verhältnis seines Bedarfs zum Gesamtbedarf zu berechnen (horizontale Berechnungsmethode); es ist nicht nach Ermittlung der individuellen Bedarfe der Partner nur das überschießende Einkommen zu verteilen (vertikale Berechnungsmethode) (Anschluss an BSG vom 18.6.2008 - B 14 AS 55/07 R = SozR 4-4200 § 9 Nr 4).

2. Der Bundesrepublik Deutschland steht ein Erstattungsanspruch gegen einen zugelassenen kommunalen Träger (hier für den Zeitraum von Januar 2005 bis Mai 2007) wegen unzutreffender Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB 2 durch Anwendung der vertikalen Berechnungsmethode nicht zu. .

 

Normenkette

SGB II § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 6b Abs. 2 S. 1, § 9 Abs. 2; GG Art. 104a Abs. 5 S. 1, Art. 106 Abs. 8; SGG § 55 Abs. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 02.07.2013; Aktenzeichen B 4 AS 74/12 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 01.04.2009 geändert. Es wird festgestellt, dass der Bundesrepublik Deutschland gegen den Kreis N keine Forderungen wegen unzutreffender Berechnung von Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 606.478,13 Euro für das Jahr 2005, 315.273,22 Euro für das Jahr 2006 und 343.435,51 Euro für die Monate Januar bis Mai 2007 zustehen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Beklagte gegen ihn keine Forderung wegen unzutreffender Berechnung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum 2005 bis Mai 2007 zustehen sowie die weitere Feststellung, dass er berechtigt ist, bei der Berechnung der Ansprüche der Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft Einkommen nach der sog vertikalen Berechnungsmethode anzurechnen.

Der klagende Landkreis ist als sogenannte Optionskommune Träger der Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Am 06.01.2005 schlossen die Beteiligten eine "Verwaltungsvereinbarung über die vom Bund zu tragenden Aufwendungen des zugelassenen kommunalen Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende" (im Folgenden: Verwaltungsvereinbarung). In der Präambel dieser Vereinbarung heißt es nach der Wiedergabe des § 6b Abs. 2 Satz 1 SGB II: "Gegenstand der Verwaltungsvereinbarung sind Verfahrensregelungen hinsichtlich der vom Bund zu tragenden Aufwendungen". § 1 der Verwaltungsvereinbarung enthält die Verpflichtung des Klägers, die Ordnungsmäßigkeit der Berechnung und Zahlung sowie den wirtschaftlichen und sparsamen Einsatz der vom Bund zu tragenden Aufwendungen sicherzustellen und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) auf Anforderung zeitnah Auskünfte zu erteilen und Unterlagen vorzulegen sowie örtliche Prüfungen zu ermöglichen, die eine Beurteilung ermöglichen, ob Aufwendungen nach Grund und Höhe vom Bund zu tragen sind. § 2 der Verwaltungsvereinbarung berechtigt den Kläger, Bundesmittel auf der Grundlage von § 6 b Abs. 2 S. 1 SGB II abzurufen, wobei er unter anderem die Bestimmungen der Verwaltungsvereinbarungen zu beachten hat. Zudem erhält der Kläger nach näherer Maßgabe des § 2 die Berechtigung am automatisierten Verfahren für das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen des Bundes (HKR-Verfahren) teilzunehmen. § 3 regelt die Bewirtschaftung der im Rahmen eines Ermächtigungsrahmens zugewiesenen Mittel für "Leistungen zur Eingliederung in Arbeit sowie Verwaltungskosten". § 4 enthält die Verpflichtung des Klägers zur Übermittlung eines "Eingliederungs- und Mitarbeiterberichts". § 5 der Verwaltungsvereinbarung lautet:

(1) Der Landkreis richtet ein Verwaltungs- und Kontrollsystem ein, das die Ordnungsmäßigkeit der Berechnung und Zahlung der vom Bund hinsichtlich der besonderen Einrichtung des Landkreises nach § 6 a Abs. 6 SGB II i. V. m. Art. 106 Abs. 8 zu tragenden Aufwendungen sicherstellt (§ 1 Satz 2) und überwacht sein einwandfreies Funktionieren. Um sowohl den Entwicklungsaufwand für die Erarbeitung der Verwaltungs- und Kontrollsysteme zu reduzieren als auch um deren Einheitlichkeit und die Vergleichbarkeit der Ergebnisse sicherzustellen, bietet das BMWA an, kurzfristig gemeinsam mit Vertretern aus Landkreisen und Städten ein einheitliches Verwaltungs- und Kontrollsystem zu erarbeiten.

(2) Soweit sich bei der Prüfung durch das Kontrollsystem, bei der Schlussabrechnung oder bei einer Überprüfung nach § 1 N...

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