Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Vormerkung von Beitragszeiten aus Anlass eines Verkehrsunfall des Versicherten auf der Grundlage des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs

 

Orientierungssatz

1. Der Schadensersatzanspruch eines Versicherten, soweit dieser den Anspruch auf Ersatz von Beiträgen zur Rentenversicherung umfasst, geht nach § 119 Abs. 1 SGB 10 auf den Versicherungsträger über, wenn der Geschädigte im Zeitpunkt des Schadensereignisses bereits Pflichtbeitragszeiten nachweist oder danach pflichtversichert wird. Danach wird ein nach § 842 BGB dem Unfallgeschädigten zu ersetzender Beitragsschaden in der gesetzlichen Rentenversicherung auf den Träger der Rentenversicherung übergeleitet, vgl. BSG, Urteil vom 16. Februar 2012 - B 4 AS 77/11 R.

2. Hat der Rentenversicherungsträger die Durchführung eines entsprechenden Beitragsregresses unterlassen, so setzt der Anspruch des Versicherten auf Vormerkung von Pflichtbeiträgen nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs den Nachweis eines pflichtwidrigen Verwaltungshandelns des Rentenversicherungsträgers voraus.

3. Ist ein Kraftfahrzeugführer Unfallverursacher und kann dieser nicht ermittelt werden, so richtet sich der Anspruch des Unfallgeschädigten auf den zu ersetzenden Beitragsschaden gegen den in § 12 PflVG kodifizierten Entschädigungsfonds. Ein pflichtwidriges Handeln kann dem Rentenversicherungsträger nur dann angelastet werden, wenn er zu Unrecht kein Regressverfahren gegen den Entschädigungsfonds geführt hat. Dies setzt voraus, dass ein zivilrechtlicher Prozess gegen den Entschädigungsfonds mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erfolgreich gewesen wäre.

4. Ist nach den verfügbaren Unterlagen der Nachweis eines fremdverschuldeten Unfalls zu Gunsten des Geschädigten nicht zu führen, so ist mangels eines beweisbaren pflichtwidrigen Verwaltungshandelns des Rentenversicherungsträgers ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch ausgeschlossen.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 28.09.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit steht die Verpflichtung der Beklagten, im Zusammenhang mit einem Beitragsregress nach § 119 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für den Kläger vorzumerken.

Der 1951 geborene Kläger war am 14.02.1989 an einem von ihm nicht verschuldeten Verkehrsunfall beteiligt und bezog aufgrund einer dabei erlittenen Distorsion der Halswirbelsäule und Stauchung der Lendenwirbelsäule zunächst Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und ab September 1992 Rente wegen Berufsunfähigkeit. Wegen der Folgen eines am 14.02.1997 erlittenen weiteren Verkehrsunfalls bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 01.10. 1997 erneut Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Zwischen den Beteiligten ist zunächst der Umfang des aus Anlass des erstgenannten Unfalls durchzuführenden Beitragsregresses umstritten gewesen. In diesem Zusammenhang hatte die Beklagte mit Bescheid vom 02.09.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.07.2003 festgestellt, dass die Kausalität des ersten Unfalls für den entstandenen Beitragsschaden durch den zweiten Unfall unterbrochen (Fall der überholenden Kausalität) und die Haftpflichtversicherung des Verursachers des ersten Unfalls nur für die Zeit bis zum 11.11.1997 in Regress zu nehmen sei. Sein Begehren, die Beklagte möge Regressansprüche gegenüber dem Verursacher des ersten Unfalls auch für die Zeit ab dem 12.11.1997 geltend machen, hatte der Kläger anschließend mit einer bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen erhobenen Klage (S 29 (8) RA 70/03) weiterverfolgt. Er hatte behauptet, dass durch den zweiten Unfall lediglich eine unerhebliche Verschlechterung seines Gesundheitszustandes eingetreten sei. Der erste Unfallschädiger hafte durchgehend dafür, dass er (der Kläger) nicht mehr bis zum 65. Lebensjahr seine - zuletzt über der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung liegenden - Einkünfte aus abhängiger Beschäftigung erzielen könne. Um den Ersatz des damit (neben seinem Erwerbsschaden) entstandenen Beitragsschadens zu gewährleisten, sei die Beklagte verpflichtet, die Beiträge im Wege des Regresses nach § 119 SGB X einzuziehen, die der Kläger unfallbedingt nicht (mehr) entrichten könne. Die Beklagte hatte weiterhin die Kausalität zwischen der Schädigung durch den ersten Unfall und dem ab dem 12.11.1997 bestehenden Erwerbsschaden des Klägers bestritten und zudem die Ansicht vertreten, dass der Kläger den zweiten Unfall selbst verursacht habe und daher auf der Grundlage dieses Unfallgeschehens kein (weiterer) Beitragsregress mehr möglich sei.

In den Entscheidungsgründen seines klageabweisenden Urteils vom 14.09.2005 hatte das Sozialgericht ausgeführt, dass eine Kausalität zwischen dem ersten Unfall und den nach dem 11.11.1997 von dem Kläger demonstrierten Gesundheitsst...

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