Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Sozialhilfeträger. Regelung des § 111 S 2 SGB 10 nF trifft nicht auf krankenversicherungsrechtliche Sachleistungsansprüche zu

 

Orientierungssatz

Die Regelung des § 111 S 2 SGB 10 idF vom 21.12.2000 erfasst Sachverhalte vn parallel bestehenden Zuständigkeiten zweier Sozialleistungsträger bei der Erbringung von sich gegenseitig ausschließenden Sozialleistungen, in denen eine Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers noch ergehen kann. Auf krankenversicherungsrechtliche Sachleistungsansprüche trifft dies regelmäßig nicht zu. Eine Verschiebung des Beginns der Frist findet nicht statt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 28.02.2008; Aktenzeichen B 1 KR 13/07 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 20. Juni 2006 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten im Wege eines Erstattungsanspruchs nach den §§ 102 ff des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) die Übernahme von Kosten für eine stationäre Krankenhausbehandlung der Frau P N in Höhe von 22.110,59 EUR.

Die im Jahre 1980 geborene P N wurde wegen einer paranoiden Psychose und akuter Suizidalität in den Zeiten vom 30.03.2001 bis 06.04.2001 und 03.05.2001 bis 08.08.2001 in den S Kliniken F stationär behandelt. Das Sozialamt der Stadt F erstattete als örtlicher Träger der Sozialhilfe der Klinik die entstandenen Kosten in Höhe von 22.110,59 EUR und teilte dem Kläger mit Schreiben vom 15.08.2002 (eingegangen am 22.08.2002) mit, dass Frau P N rückwirkend zum 01.10.2000 bei der Beklagten durch ihre Mutter, U N, familienversichert worden sei. Der Kläger solle die vorgeleisteten Behandlungskosten in der angegebenen Höhe von der Beklagten zurückfordern.

Der Kläger meldete daraufhin mit Schreiben vom 29.08.2002 (bei der Beklagten eingegangen am 04.09.2002) einen Erstattungsanspruch nach den §§ 102 ff SGB X für die Behandlungszeiträume vom 30.03.2001 bis 06.04.2001 und 03.05.2001 bis 08.08.2001 in Höhe von 22.110,59 EUR an und beantragte die Erstattung der vom Sozialhilfeträger gewährten Leistungen. Mit Schreiben vom 05.05.2003 bejahte die Beklagte zwar die medizinische Notwendigkeit für die Übernahme der Krankenhauskosten. Dem Anspruch des Klägers stehe jedoch die Ausschlussfrist des § 111 SGB X entgegen, wonach eine Erstattung ausgeschlossen sei, wenn sie der Erstattungsberechtigte nicht spätestens 12 Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend mache. In der weiteren Korrespondenz der Beteiligten teilte die Beklagte nicht die Auffassung des Klägers, dass der Erstattungsanspruch fristgerecht geltend gemacht worden sei, weil der Kläger eine Kenntnis von der Leistungspflicht der Beklagten erst durch das Schreiben des Sozialamtes der Stadt F vom 15.08.2002 zur rückwirkenden Familienversicherung erhalten habe. Der Kläger machte geltend, frühester Beginn der Ausschlussfrist sei nicht der Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs, sondern derjenige der Kenntniserlangung von der Entscheidung des erstattungsberechtigten Leistungsträgers. Er habe erst mit dem Schreiben des Sozialamtes der Stadt F vom 15.08.2002 erfahren, dass Frau P N rückwirkend zum 01.10.2000 über ihre Mutter versichert worden sei und sodann innerhalb von einer Woche seinen Erstattungsanspruch angemeldet (Schreiben des Klägers vom 15.05.2003/22.09.2004).

Der Kläger hat mit einem am 12.11.2004 bei dem Sozialgericht Köln eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben. Die Empfängerin der Sozialhilfeleistungen, Frau P N, habe einen vorrangigen Anspruch auf Übernahme der Krankenhausbehandlungskosten gegen die Beklagte nach § 27 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 39 des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V. Der Erstattungsanspruch sei auch nicht gemäß § 111 SGB X ausgeschlossen. Mit der Neufassung des § 111 Satz 2 SGB X durch das 4. Euro-Einführungsgesetz vom 21.12.2000 (BGBl. I Seite 1983) werde klargestellt, dass frühester Beginn der Ausschlussfrist nicht mehr der Zeitpunkt der Entstehung des Erstattungsanspruchs, sondern derjenige der Kenntniserlangung von der Entscheidung des erstattungsberechtigten Leistungsträgers von seiner Erstattungspflicht sei. Die Absicht des Gesetzgebers gehe dahin, nicht mehr an das Entstehen des Anspruchs, sondern an die Kenntnis des erstattungsberechtigten Leistungsträgers von den seinen Anspruch begründenden Umständen einschließlich des erstattungsverpflichteten Leistungsträgers anzuknüpfen. Die Beklagte habe durch die rückwirkende Einräumung der Familienversicherung nachträglich einen weiteren Sozialleistungsanspruch zuerkannt, der gegenüber der Sozialhilfe subsidiär sei. Auch wenn die Beklagte wegen der Kostenübernahme durch den Kläger keinen Anlass gehabt habe, eine konkrete Entscheidung über die stationären Behandlungen der Versicherten zu treffen, habe sie gleichwohl durch die rückwirkende Einräumung der Familienversicherung eine Entscheidun...

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