Entscheidungsstichwort (Thema)

Restitutionsklage. Urkunde. Beweiswert. Endodontologie. Unwirtschaftliche Behandlungsweise. Entzug der Zulassung

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Urkunde berechtigt nur dann zur Restitutionsklage, wenn sie so rechtzeitig gefertigt wurde, dass sie in dem abgeschlossenen Verfahren zeitlich noch hätte berücksichtigt werden können.

 

Normenkette

SGG § 179 Abs. 1; ZPO § 580 Nr. 7b; SGB V § 95 Abs. 6

 

Tenor

Die Restitutionsklage des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18.10.2000 wird abgewiesen. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Voraussetzungen für eine Restitutionsklage vorliegen.

Dem Kläger, der als Vertragszahnarzt tätig war, wurde mit Beschluss des Beklagten vom 25.02.1998 die Zulassung zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit entzogen. Die dagegen gerichtete Klage blieb in beiden Instanzen erfolglos (Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 21.10.1999, Az.: S 14 KA 165/98, Urteil des LSG NRW vom 18.10.2000, Az.: L 11 KA 197/99). Die gegen das Urteil des LSG erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat das BSG zurückgewiesen (Beschluss vom 27.06.2001, Az.: B 6 KA 7/01 B).

Als Pflichtverletzungen, die die Zulassungsentziehung nach § 95 Abs. 6 des Sozialgesetzbuches (SGB V) rechtfertigten, wurden fortwährende Verstöße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot in der Zeit von 1983 bis zum 2. Quartal 1995 (mit Ausnahme eines Quartals) festgestellt, eine unzulängliche Mitwirkung im Gutachterverfahren, selbst dann noch, als dieses bereits Gegenstand einer disziplinarischen Maßnahme war, Vorlage und Verwendung mangelhafter Röntgenaufnahmen, die Weigerung, der Auflage nachzukommen, einen Kurs in Röntgendiagnostik zu besuchen, eine ungenehmigte Beschäftigung eines Praxisassistenten sowie die Vorlage einer manipulierten Urkunde in einem Berufungsverfahren, die Vorlage unvollständiger Abrechnungen sowie erhebliche Defizite in der Diagnosestellung und Vorbereitung der Behandlungsplanung in einem konkreten Behandlungsverlauf.

Am 28.02.2005 hat der Kläger Wiederaufnahmeklage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, ausweislich eines Artikels aus der Zeitschrift "Zahnärztliche Mitteilungen" (ZM) in der Ausgabe vom 01.02.2005 sei nach einer auf Prof. Dr. Claus Loest zurückgehenden Studie der Poliklinik für Zahnerhaltung am Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Uniklinik Tübingen eine Investition in endodontische Expertisen wirtschaftlich sinnvoll. Da auf Grund der in diesem Artikel wiedergegebenen Erkenntnisse der endodontische Behandlungsbedarf um Faktor 10 höher liege als der Umfang der tatsächlich erbrachten endodontischen Tätigkeit der Zahnärzteschaft, müsse zur angemessenen Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise die bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung zu Grunde gelegten Durchschnittswerte der Vergleichsgruppe entsprechend um diesen Faktor angehoben werden. Der in der Entscheidung zu Grunde gelegte statistische Vergleichsmaßstab könne unter dem Eindruck dieser Erkenntnisse nicht ohne erhebliche Einschränkungen aufrecht erhalten bleiben. Die Beweiswürdigung des Senats im Urteil vom 18.10.2000 sei daher nachweislich fehlerhaft. Die Frage der Wirtschaftlichkeit/Unwirtschaftlichkeit sei durch die Vereinbarung vom 14.11.1995, mit der die damals noch anhängigen Wirtschaftlichkeitsprüfungen erledigt worden seien, offen geblieben. Im Übrigen hätten beim Kläger nur geringfügige Überschreitungen im Fallwert vorgelegen. Die statistische Vergleichsprüfung sei im Fall des Klägers ungeeignet gewesen, dies werde belegt durch seine ausweislich der Prüfergebnisse höhere Erfolgsquote im Bereich der Endodontien von 92 v. H. im Vergleich zu 80 v. H. beim Durchschnitt der Vertragszahnärzte. Unter dem Eindruck der in dem vom Kläger vorgelegten Artikel wiedergegebenen Erkenntnisse wäre eine ihm voraussichtlich günstigere Entscheidung in der Zulassungssache herbeigeführt worden, denn der Senat hätte sich bei richtiger Würdigung den wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Wirtschaftlichkeit nicht verschließen können. Die Zulassungsentziehung sei im Wesentlichen auf dauernde Unwirtschaftlichkeit gestützt worden, das Urteil hebe zwar auch auf andere vermeintliche Pflichtverstöße ab, allerdings wirkten diese bei der Gesamtbeurteilung zusammen.

Die Restitutionsklage sei zulässig und begründet. Sie könne auf alle schriftlichen Beweismittel gestützt werden, sofern diese nicht die Funktion hätten, ein nach § 580 Nr. 7 b der Zivilprozessordnung (ZPO) ausgeschlossenes Beweismittel zu ersetzen. Zeitschriftenartikel über wissenschaftliche Erkenntnisse, die lediglich im Wege des Sachverständigenbeweises ins Verfahren eingeführt werden könnten, entsprächen diesen Anforderungen hinsichtlich einer Urkunde im Sinne der genannten Vorschrift. Das seien nämlich nicht nur formelle Urkunden, sondern auch solche, die für die zu beweisende Tatsache einen frei zu würdigenden Beweiswert hätten. Es komme auch nicht darauf...

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