Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung von nordrhein-westfälischer Abgeordnetenentschädigung auf vorzeitige Altersrente

 

Leitsatz (amtlich)

Die einem Mitglied des Landtags gewährte Abgeordnetenentschädigung ist auf die Altersrente anzurechnen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Entschädigung des Klägers als Landtagsabgeordneter im Rahmen der Hinzuverdienstgrenze des § 34 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) auf eine vorgezogene Altersrente wegen Schwerbehinderung anzurechnen ist.

Der 1938 geborene Kläger, Inhaber eines Schwerbehindertenausweises mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 v.H., war bis Oktober 1996 bei der Firma K GmbH beschäftigt. In seinem Versichertenkonto sind durchgängig 519 Pflichtbeitragszeiten gespeichert. In der Zeit vom 01.01.1996 bis zum 30.06.1998 war er arbeitslos gemeldet. Bezüglich der Frage, ob ihm ab dem 01.10.1996 Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit zustehen, ist ein Rechtsstreit beim Sozialgericht Duisburg anhängig.

Am 23.03.1998 beantragte er die Gewährung einer Altersrente wegen Vollendung des 60. Lebensjahres bei anerkannter Schwerbehinderung. Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Kläger, der seit Mai 1990 Abgeordneter des Landtages für das Land Nordrhein-Westfalen ist, die Höhe seiner Abgeordnetenentschädigung nach dem Abgeordnetengesetz (AbgG) wie folgt mit:

Entschädigung gem. § 5 Abs. 1 AbgG:8.752,00 DM

Kostenpauschale gem. § 6 Abs. 2.1 AbgG:2.278,00 DM

Mehraufwendungen gem. § 6 Abs. 2.2 AbgG:546,00 DM

Fahrtkostenpauschale gem. § 6 Abs. 2.3 AbgG:790,00 DM.

Daraus sowie aus weiteren Abrechnungsposten ergab sich eine Gesamtbrutto-Abgeordnetenentschädigung in Höhe von 12.726,00 DM, darin enthalten ein steuerpflichtiges Bruttoentgelt in Höhe von 9.202,00 DM sowie steuerfreie Bezüge in Höhe von 3.524,00 DM. Der Überweisungsbetrag lag unter Berücksichtigung einer Abtretung an die Fraktion in Höhe von 500,00 DM bei 12.226,00 DM monatlich.

Mit Bescheid vom 19.08.1998 lehnte die Beklagte die beantragte Rentengewährung ab. Zur Begründung führte sie aus, das Einkommen des Klägers überschreite die Hinzuverdienstgrenzen des § 34 Abs. 2 SGB VI. Um ein Drittel der Vollrente zu erhalten, dürfe er höchstens 1.667,75 DM brutto pro Monat hinzuverdienen. Seine anrechenbare Abgeordnetenentschädigung liege jedoch viel höher.

Mit dem dagegen gerichteten Widerspruch vom 08.09.1998 machte der Kläger geltend, die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung der Abgeordnetenentschädigung als Hinzuverdienst lägen nicht vor. Nach § 34 Abs. 2 SGB VI seien lediglich Arbeitsentgelt oder -einkommen aus einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit als Hinzuverdienst zu berücksichtigen. Als Landtagsabgeordneter sei er jedoch nach den Vorschriften der Landesverfassung und des AbgG an keinerlei Weisungen gebunden. Die Abgeordnetenentschädigung stelle damit kein Arbeitsentgelt aus einer abhängigen Beschäftigung im Sinne von § 14 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB VI) dar. Es handele sich auch nicht um Arbeitseinkommen aus einer selbständigen Tätigkeit im Sinne von § 15 SGB IV, die eine Gewinnerzielungsabsicht voraussetze, an der es vorliegend jedoch fehle. Die Abgeordnetenentschädigung diene nicht als Lohnersatz, sondern solle die Unabhängigkeit des Abgeordneten sichern. In seiner beruflichen Tätigkeit dürfe der Abgeordnete nicht benachteiligt werden. Er verliere demzufolge durch den Abgeordnetenstatus auch nicht seinen Arbeitsplatz.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 22.09.1998 als unbegründet zurück. Ein Anspruch auf die begehrte Altersrente scheide im Hinblick auf das Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze des § 34 Abs. 2 und 3 SGB VI aus. Zwar stelle die Tätigkeit eines Abgeordneten des Deutschen Bundestages bzw. der Länderparlamente sozialversicherungsrechtlich weder eine abhängige Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit dar. Dennoch sei die den Abgeordneten zustehende Entschädigung als Entgelt für die Inanspruchnahme durch das Mandat und damit als Erwerbseinkommen im Sinne von § 34 Abs. 2 SGB VI zu werten. Dabei bezog sich die Beklagte auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 05.11.1975, Az.: 2 BvR 193/74, im Anschluß an BVerfG, Beschluß vom 21.10.1971, in: BVerfGE 32, 157 ff.).

Zur Begründung seiner am 01.10.1998 erhobenen Klage hat der Kläger ergänzend vorgetragen, die von der Beklagten zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts seien nicht aktuell, da sie sich auf die inzwischen nicht mehr in Kraft befindlichen Regelungen der Reichsversicherungsordnung (RVO) bezögen. Aus dem Umstand, daß der Gesetzgeber den Wortlaut der Vorschriften über die Hinzuverdienstgrenze im Rahmen nachfolgender Gesetzesänderungen nicht wesentlich verändert habe, insbesondere Abgeordnetenentschädigungen nicht als berücksichtigungsfähiges Einkommen aufgeführt habe, seien diese weder unter den Begriff des Arbeitsentgeltes noch des Arbeitseinkommens im Sinne von § 34 Abs. 2 SGB VI zu subsumieren.

Der Kläger hat beantragt,

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