Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit der Zuweisungen für Krankengeld aus dem Gesundheitsfonds entsprechend der Risikostruktur der Krankenkassen

 

Orientierungssatz

1. Die Krankenkassen erhalten nach §§ 265 ff. SGB 5 als Einnahmen aus dem Gesundheitsfonds Zuweisungen zunächst vorläufig als Abschlagszahlungen aufgrund monatlicher Zuweisungsbescheide und ergänzender Korrekturbescheide nach in Grundlagenbescheiden gesondert festgestellten kassenindividuellen Werten und dann endgültig gemäß Jahresausgleichsbescheiden. Die Höhe der Zuweisungen berücksichtigt die jeweilige Risikostruktur der Krankenkassen morbiditätsorientiert durch Zu- und Abschläge, um Anreize zur Risikoselektion zu verhindern.

2. Diese stehen einer Korrektur lediglich in Folgejahren anlässlich eines Jahresausgleichsbescheides offen.

3. Die gesetzliche Regelung in § 269 Abs. 1 SGB 5 ist verfassungsgemäß. Sie bewirkt lediglich eine zulässige unechte Rückwirkung. Diese genügt dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip, wenn das schutzwürdige Bestandsinteresse des Einzelnen die gesetzlich verfolgten Gemeinwohlinteressen bei der gebotenen Interessenabwägung nicht überwiegt (BSG Urteil vom 25. 10. 2016, B 1 KR 11/16 R).

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 332.748,81 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der Zuweisungen für Krankengeld aus dem Gesundheitsfonds (GF) an die Klägerin im Jahresausgleich für das Jahr 2013.

Mit Einführung des Gesundheitsfonds, in den alle nach einem einheitlichen, gesetzlich festgelegten Beitragssatz bemessenen Beiträge fließen, erhalten die Krankenkassen seit 2009 als Einnahmen aus dem Gesundheitsfonds Zuweisungen zunächst vorläufig als Abschlagszahlungen aufgrund monatlicher "Zuweisungsbescheide" und ergänzender "Korrekturbescheide" nach in "Grundlagenbescheiden" gesondert festgestellten kassenindividuellen Werten und dann endgültig gemäß "Jahresausgleichsbescheiden". Sie stehen einer Korrektur lediglich in Folgejahren anlässlich eines Jahresausgleichsbescheids offen. Die Höhe der Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds berücksichtigt die jeweilige Risikostruktur der Krankenkassen morbiditätsorientiert durch Zu- und Abschläge, um Anreize zur Risikoselektion zu verhindern (sog Morbi-RSA). Die beklagte Bundesrepublik Deutschland, handelnd durch das Bundesversicherungsamt (BVA), konkretisiert die gesetzlich und durch die Risikostruktur-Ausgleichsverordnung (RSAV) bestimmten Vorgaben der Morbiditätsorientierung jährlich in "Festlegungen". Die Beklagte erläutert hierzu jeweils den Entwurf zu den Festlegungen für den RSA, die sie zu treffen hat (§ 31 Abs. 4 Satz 1 RSAV), hört hierzu die Betroffenen an, entscheidet über die Festlegungen und veröffentlicht sie. Die Krankenkassen erhalten danach aus dem Gesundheitsfonds Zuweisungen. Sie setzen sich aus einer Grundpauschale, alters-, geschlechts- und risikoadjustierten Zu- und Abschlägen zum Ausgleich der unterschiedlichen Risikostrukturen sowie Zuweisungen für sonstige Aufgaben zusammen.

Als Grundlage der Ermittlung der Zuschlagshöhen im Ausgleichsjahr wird anhand der für die Versicherten tatsächlich im Ausgleichsjahr angefallenen Ausgaben krankenkassenübergreifend berechnet, welche Kosten ein Versicherter im Jahr nach der Diagnosestellung durchschnittlich verursacht ("prospektives Modell"). Nach diesen Ausgaben wird ein versichertenbezogener Tagesbetrag errechnet, der als Zu- oder Abschlag der Grundpauschale je versichertem Tag für Versicherte, die der jeweiligen Morbiditätsgruppe angehören, hinzugerechnet wird. Die Zu- und Abschläge führen zu einer risikoorientierten Anhebung oder Absenkung der für alle Versicherten zunächst einheitlichen Grundpauschale. Die Summe aus den Zu- und Abschlägen sowie der Grundpauschale entspricht den standardisierten Leistungsausgaben nach § 266 SGB V, die die Krankenkassen zur Deckung ihrer Ausgaben aus dem Gesundheitsfonds erhält.

Die Klägerin erhielt für das Jahr 2013 (vorläufige) Zuweisungen aus dem GF. Darin enthalten waren u.a. Zuweisungen zur Deckung der Ausgaben für Krankengeld, die den damaligen Festlegungen entsprechend ausschließlich standardisiert berechnet worden waren, also unabhängig von den tatsächlichen - deutlich niedrigeren - Ausgaben der Klägerin für diese Leistungen.

Für die Zuweisungen für Krankengeld sowie für Auslandsversicherte traf der Gesetzgeber im Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz (GKV-FQWG) vom 21.07.2014, BGBl. I S. 1133, soweit hier interessierend am 01.08.2014 in Kraft getreten, Art 17 Abs. 3 GKV-FQWG (i.Ü. erst am 01.01.2015)) in § 269 SGB V und §§ 31, 41 RSAV Sonderregelungen. Abweichend vom Prinzip der Berücksichtigung von standardisierten Ausgaben im RSA können jetzt - als Übergangsregelung konzipiert (s. § 269 Abs. 3 SGB V) - beim Krankengeld für die Zuweisungen anteili...

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