Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Zweigpraxisgenehmigung zur Versorgung der Versicherten mit Dialyseleistungen. Zulässigkeit der Drittanfechtungsklage. Rechtsverhältnis nach § 55 Abs 1 Nr 1 SGG

 

Orientierungssatz

1. Das Regelwerk in Anlage 9.1 BMV-Ä/EKV dient in erster Linie der Sicherstellung einer wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten mit Dialyseleistungen, daneben aber auch dem Schutz der bereits in diesem Bereich tätigen Leistungserbringer (vgl BSG vom 17.7.2011 - B 6 KA 27/10 R = SozR 4-1500 § 54 Nr 26). Dementsprechend ist eine Drittanfechtungsklage zulässig.

2. Das festzustellende Rechtsverhältnis nach § 55 Abs 1 Nr 1 SGG muss nicht notwendig zwischen den Beteiligten des Rechtsstreits bestehen. Ausreichend ist, wenn der Rechtsbereich eines Klägers durch das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses zwischen Dritten direkt oder indirekt beeinflusst wird (vgl BSG vom 20.12.1962 - 3 RK 31/58 = BSGE 18, 190 = SozR Nr 1 zu § 245 RVO und Urteil vom 22.6.1983 - 12 RK 35/82 = SozR 1500 § 55 Nr 22).

 

Normenkette

SGG § 55 Abs. 1 Nr. 1; SGB X § 39 Abs. 2

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 11.02.2015; Aktenzeichen B 6 KA 7/14 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird festgestellt, dass sich der Bescheid vom 10.11.2008 erledigt hat. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Berufungen der Beklagten und Beigeladenen werden zurückgewiesen. Die Revision wird zugelassen.

Die Beklagte trägt die Gerichtskosten und die erstattungsfähigen Kosten des Klägers und der Beigeladenen für die erste Instanz. Für das Berufungsverfahren tragen die Beteiligten die Gerichtskosten jeweils zu 1/3. Die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten werden gegeneinander aufgehoben.

 

Tatbestand

Streitig ist die Drittanfechtung einer Zweigpraxisgenehmigung.

Die Beigeladene zu 1) ist eine zur vertragsärztlichen Versorgung in T zugelassene Berufsausübungsgemeinschaft von Fachärzten für Innere Medizin, zum Teil mit Schwerpunktbezeichnung Nephrologie.

Unter dem 02.08.2008 stellten ihre Mitglieder einen Antrag auf Errichtung einer fachärztlich nephrologischen Zweigpraxis mit Dialyse im St. G-Krankenhaus, I-straße 00, F, zur Verbesserung der wohnortnahen Versorgung in den ländlichen Gebieten des rechtsrheinischen Rhein-Sieg-Kreises (F/X/S). Wie sich erst im Berufungsverfahren herausstellte, wurde in diesem Schreiben auch erwähnt, dass in unmittelbarer Nähe von ca. drei Kilometern ein anderes Dialysezentrum angesiedelt ist.

Die Beklagte holte daraufhin eine Auskunft der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Rheinland-Pfalz ein, die die Dialyseeinrichtungen ihres nördlichen Bereiches und deren Versorgungsregionen sowie die Auslastung der Praxen mitteilte.

Sodann wandte sich die Beklagte mit Hinweis auf die Stellungnahme der KV Rheinland-Pfalz und unter Übersendung des Antrags der Beigeladenen zu 1) an die Landesverbände der Krankenkassen mit dem Bemerken, sie befürworte den Antrag zur Sicherstellung der wohnortnahen Dialyse-Versorgung. Sollte bis zum 07.11.2008 keine Stellungnahme vorliegen, setze sie das Einverständnis zu dem vorliegenden Antrag voraus. Zwei Landesverbände befürworteten daraufhin ausdrücklich den Antrag, die übrigen Adressaten äußerten sich nicht.

Mit Bescheid vom 10.11.2008 erteilte die Beklagte der Beigeladenen zu 1) ohne nähere Begründung die Genehmigung einer Zweigpraxis in F, I-str. 00.

Gegen diesen Genehmigungsbescheid legte der Kläger Widerspruch ein. Dieser ist Facharzt für Innere Medizin und in I zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er dialysiere zurzeit mehr als 30 Kassenpatienten; seine freien Kapazitäten lägen nach den gültigen Richtlinien bei über 60 Patienten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.08.2009, bei dem Verfahrensbevollmächtigten des Klägers eingegangen am 16.09.2009, wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Es fehle bereits an seiner Anfechtungsbefugnis.

Hiergegen hat sich die am 08.10.2009 erhobene Klage gerichtet. Der Kläger hält sich für anfechtungsbefugt und anfechtungsberechtigt. Die Bestimmungen der Qualitätssicherungsvereinbarung für Blutreinigungsverfahren sowie der Anlage 9.1 Bundesmantelvertrag/Ersatzkassenvertrag (BMV-Ä/EKV) gewährten den Dialyseärzten, denen eine Versorgungsregion zugewiesen sei, grundsätzlich Konkurrenzschutz. Dieser Schutz ergebe sich aus der vom Normgeber für Dialysepraxen geforderten Sicherung einer wirtschaftlichen Versorgungsstruktur. Dieses Erfordernis gelte nicht nur für die erstmalige Genehmigung einer Dialysepraxis, sondern auch im Rahmen einer Dialysezweigpraxis. Die von der Beigeladenen zu 1) beantragte Zweigpraxis befinde sich in der ihm zugewiesenen Versorgungsregion. Der Genehmigungsbescheid sei zudem rechtswidrig. Eine Verbesserung der wohnortnahen Versorgung der im Zeitpunkt der Antragstellung von der Beigeladenen zu 1) bereits behandelten Patienten durch die vorgesehene Zweigpraxis im Sinne der Anlage 9.1 Anhang 9.1.5 Abs. 1 a 2. Alt. BMV-Ä/EKV sei nicht ersichtlich. Nach dem Wortlaut dieser Regelung dürfe es...

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