Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungsrecht: Voraussetzung der Einordnung einer Tätigkeit als Interviewer als sozialversicherungspflichtige Tätigkeit. Beitragsforderung. Beschäftigung. Supervisor. Fremde Betriebsmittel. Einweisung in die Tätigkeit. Arbeitszeit. Schichtenplan. Unternehmerrisiko. Vergütung auf Stundenbasis

 

Leitsatz (redaktionell)

Parallelentscheidung zu LSG Essen, Urteil vom 8. Dezember 2010, Az.: L 8 R 192/10

 

Orientierungssatz

Arbeitete ein im Rahmen einer freien Mitarbeit vertraglich verpflichteter Interviewer in einem Meinungsforschungsinstitut ausschließlich in den Studios des Auftraggebers, setzte er zudem für die Tätigkeit einen vom Auftraggeber vorgegeben Fragekatalog und eine vorgegebene Hard- und Software ein und erfolgte die Bezahlung auf Stundenbasis nach einem vom Auftraggeber festgelegten Stundensatz, so ist von einer Sozialversicherungspflicht des Beschäftigungsverhältnisses auszugehen.

 

Normenkette

SGB IV § 7 Abs. 1, § 28p Abs. 1 S. 5; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 1; SGB XI § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1; SGB VI § 1 S. 1 Nr. 1; SGB III § 25 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 6.11.2008 geändert und die Klage hinsichtlich der die Beigeladene zu 1) betreffenden Beitragsforderung abgewiesen. Die Klägerin trägt ¾, die Beklagte ¼ der Kosten des gesamten Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 9.376,35 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten noch darüber, ob die Klägerin für die Beigeladene zu 1), die für sie als Interviewerin und Supervisorin tätig war, aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für den Zeitraum von Dezember 1999 bis März 2002 sowie zur gesetzlichen Kranken- und Arbeitslosenversicherung und sozialen Pflegeversicherung für den Zeitraum von Mai 2000 bis April 2001 zu zahlen hat. Hinsichtlich der ursprünglich darüber hinaus geltend gemachten Beitragsforderungen für den Zeitraum von September bis November 1999 vollständig, für die Zeiträume von Dezember 1999 bis April 2000 und von August 2001 bis März 2002 jeweils hinsichtlich der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Arbeitslosenversicherung sowie sozialen Pflegeversicherung hat die Beklagte den streitgegenständlichen Bescheid vom 29.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.9.2005 im Verhandlungstermin am 8.12.2010 aufgehoben.

Die Klägerin ist ein Markt- und Meinungsforschungsunternehmen, welches für verschiedene Auftraggeber Kundenzufriedenheitsbefragungen, Marktpotentialerhebungen und anderweitige Meinungsbefragungen im Streitzeitraum von 1999 bis 2002 durchführte. Sie entwickelte dafür unter anderem auftragsspezifische, strukturierte Interviews mit festgelegten Fragen, welche von den Interviewern der Klägerin telefonisch durchgeführt wurden. Darüber hinaus bestimmte die Klägerin die zu befragenden Zielgruppen, die Zahl der für ein Projekt bzw. eine Studie durchzuführenden Interviews sowie die einzuhaltende sog. Feldzeit, bei der es sich um den Zeitraum handelt, innerhalb dessen das Projekt bzw. die Studie abgeschlossen sein muss. Die Antworten der Gesprächspartner wurden über die für die jeweiligen Aufträge entwickelten Eingabemasken in den Computer eingegeben. Die so gewonnenen Daten wurden empirisch ausgewertet. Zur Durchführung der Interviews stellte die Klägerin den Interviewern Arbeitsplätze mit Computer und Telefon in sogenannten Telefonstudios mit 15 bis 30 Telefonarbeitsplätzen zur Verfügung. Pro 15 Telefonarbeitsplätze befand sich ein Supervisor im Telefonstudio. Dieser hatte auf die Einhaltung studienspezifischer Belange und allgemeiner Regeln der Interviewführung zu achten. Zu diesem Zwecke verfolgten die Supervisoren einzelne Interviews mit, schrieben ein Bewertungsprotokoll, das als Grundlage für die Bewertung der Interview-Qualität diente, und gaben dem Interviewer ein Feedback zu jedem bewerteten Interview. Gleichzeitig sollte diese Maßnahme sicherstellen, dass die Interviews tatsächlich erbracht wurden. Darüber hinaus oblag dem Supervisor die technische und inhaltliche Betreuung der Interviewer während einer Schicht. Der Einsatz der Interviewer erfolgte in einem Schichtsystem von 4-Stunden-Schichten. Pro Stunde war eine bezahlte Pause von 5 Minuten, insgesamt 20 Minuten pro Schicht vorgesehen. Darüber hinaus war hinsichtlich Zeitpunkt und Dauer eine freie Pausenwahl möglich. Die Supervisoren konnten sich hinsichtlich der Tätigkeitszeiten in einen Wochenplan eintragen. Wenn sich für eine bestimmte Zeit mehr Supervisoren eingetragen hatten, als benötigt wurden, entschied die Klägerin verbindlich, wer zu der entsprechenden Zeit tätig sein konnte.

Die von der Klägerin eingesetzten Interviewer wurden von dieser durch eine allgemeine Schulung auf ihre Tätigkeit als Interviewer vorbereitet. Dazu erhielten sie studienspezifische Einweisungen. Der kon...

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