Entscheidungsstichwort (Thema)

Wegeunfall. innerer Zusammenhang. Umweg

 

Orientierungssatz

Eine (nahezu) Verdoppelung des Fahrweges und der Fahrzeit kann nicht als unbedeutender Umweg angesehen werden.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 12.04.2000; Aktenzeichen B 9 VG 11/99 B)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Verkehrsunfall als Arbeitsunfall anzuerkennen ist.

Der 1971 geborene Kläger erlitt am 13.10.1994 einen Motorradunfall, bei dem er sich Frakturen der unteren Extremitäten zuzog.

Der Kläger war damals bei der Firma R-G in E (Ruhr-Glas-Straße 50) beschäftigt. Seine Nachtschicht hatte am Unfalltag um 6.00 Uhr geendet, nach eigener Angabe hatte er das Werksgelände gegen 6.30 Uhr verlassen. Den Weg zu seiner Wohnung in G, K, wollte der Kläger auf folgender Wegstrecke zurücklegen: Parkplatz an der R, A, B (B 224), K, W, H, K Ring (im Folgenden: Weg A). Der Unfall ereignete sich (laut Unfallanzeige der Polizei) um 6.58 Uhr im Einmündungsbereich der Straße K/H; der Kläger befuhr die H geradeaus in süd-östlicher Richtung (Richtung G) von der Kreuzung H/E/M aus kommend. An dem vom Kläger geführten Motorrad war die im Fahrzeugbrief vermerkte Leistungsminderung von 75 kw auf 25 kw (der Kläger verfügt nur über eine Fahrerlaubnis der Klasse 1 A) entfernt worden; nach Darstellung des Klägers war die Drosselung kurz zuvor wegen eines am Unfalltag beabsichtigten Verkaufs entfernt worden, das Motorrad sollte am Nachmittag dem Käufer übergeben werden. Der Kläger gab gegenüber der Beklagten zunächst an, die von ihm gewählte Wegstrecke habe dem gewöhnlich zurückgelegten Weg entsprochen. Im Zuge ihrer Ermittlungen stellte die Beklagte fest, daß eine andere, kürzere Wegstrecke möglich gewesen wäre: Parkplatz an der R, B, K, Sch, T, K (im Folgenden: Wegstrecke B). Während die Wegstrecke A 8,7 bis 9,3 Kilometer lang ist, beträgt die Länge der Wegstrecke B 4,3 bis 4,9 Kilometer.

Durch Beiziehung der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft E erhielt die Beklagte Kenntnis von der Aussage der Zeugin S (damaliger Name: P). Diese hatte mit Schreiben vom 19.10.1994 den Unfall geschildert und dabei angegeben, sie sei gegen 6.45 Uhr auf dem Weg zu einer Bäckerei an der Ecke K/H gewesen, als ihr ein Kradfahrer durch waghalsiges Fahren aufgefallen sei. Dieser sei aus Richtung G in Richtung G gefahren. Nach Darstellung des Unfallablaufes führte sie aus, sie habe das Gefühl gehabt, der Kradfahrer sei mit erhöhter Geschwindigkeit gefahren. Sie habe noch gedacht, daß er vielleicht in Eile gewesen sei und etwas vergessen hätte, da sie ihn auf dem Hinweg zur Bäckerei schon in entgegengesetzter Fahrtrichtung gesehen habe und er ausgesehen habe, als sei er auf dem Weg zur Arbeit. Anläßlich eines Gesprächs mit einem Mitarbeiter der Beklagten am 23.05.1994 gab der Kläger zur Wahl der Wegstrecke an, er bevorzuge mal die eine, mal die andere Wegstrecke. Der am Unfalltag genommene Weg sei schneller zu befahren, weil ein Teil des Weges über die B 224 führe. Die Wegstrecke B führe ausschließlich durch das Stadtgebiet, so daß er maximal 50 km/h fahren dürfe. Die Behauptung der Zeugin, er habe die H zunächst in Richtung G befahren, sei unzutreffend, er habe die H nur in Richtung seiner Wohnung befahren. Bei Nässe sei diese Wegstrecke wegen der vorhandenen Straßenbahnschienen und des Pflasters auch gefährlich. Die Zeugin S bestätigte telefonisch gegenüber der Beklagten, sie sei sich sicher, daß sie den Kläger vor dem Unfall zweimal gesehen habe. Er sei ihr durch seinen Fahrstil und das laute Motorengeräusch aufgefallen.

Mit Bescheid vom 08.09.1995 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab, weil sich der Kläger auf einem unversicherten Umweg befunden habe. Im Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor, die kürzere Wegstrecke sei für ihn als Motorradfahrer jedenfalls morgens zwischen 6.00 Uhr und 7.00 Uhr wesentlich ungünstiger. An der Kreuzung B/K Straße befinde sich eine Lichtzeichenanlage, die über einen Fahrbahnkontakt gesteuert werde. Es könnten sich Wartezeiten von mehreren Minuten ergeben, so daß insbesondere zur Zeit des Dienstschlusses in dem Betrieb sich erhebliche Staus bildeten. Die K Straße auf E Gebiet sei in sehr schlechtem Zustand, es befänden sich dort Straßenbahnschienen, die ein Fahren mit dem Motorrad zu einer erheblichen Gefährdung machten. Gleiches gelte für den Bereich der Sch auf G Gebiet. Die Kreuzung Sch/A sei teilweise aufgrund von Bauarbeiten nur einspurig befahrbar. Auf der T liege Kopfsteinpflaster, die Verkehrsführung sei völlig unübersichtlich, so daß sich schon mehrere Unfälle Unfälle ereignet hätten. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.03.1997 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Im Klageverfahren hat der Kläger seinen Vortrag wiederholt, daß sich die Straßen auf der Wegstrecke B zum Teil in einem schlechten und für einen Motorradfahrer unzumutbaren Zustand (Straßenbahnschienen, Kopfsteinpflaster) befänden. Demgegenüber sei die B 224 in einem ordnungsgemäßen Zustand, als Motorradfahre...

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