Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz. Wie-Beschäftigung gem § 2 Abs 2 S 1 iVm Abs 1 Nr 1 SGB 7. objektivierbare Handlungstendenz. Bauhelfer. Arbeitnehmerähnlichkeit. Gefälligkeit. Sonderbeziehung. langjähriges und gutes Freundschaftsverhältnis zum Bauherrn. rechtzeitige Anmeldung des Bauvorhabens als nicht gewerbsmäßige Eigenbaumaßnahme unter Einbeziehung privater Bauhelfer bei der Berufsgenossenschaft. keine Formalversicherung

 

Orientierungssatz

Ein langjähriger und guter Freund des Bauherrn steht während der Mithilfe bei den Bauarbeiten (ca 50 Arbeitsstunden) nicht gem § 2 Abs 2 S 1 iVm Abs 1 Nr 1 SGB 7 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, auch wenn der Bauherr die Bauarbeiten als nicht gewerbsmäßiges Bauvorhaben unter Einbeziehung der privaten Bauhelfer bei der zuständigen Berufsgenossenschaft rechtzeitig angemeldet hatte.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 16.03.2021; Aktenzeichen B 2 U 3/19 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 12.01.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Arbeitsunfalles streitig.

Der 1979 geborene Kläger half dem Beigeladenen, dem privaten Bauherrn L. X., am 17.12.2012 beim Anbringen von Zierbalken in dessen zukünftigem Esszimmer. Beim Versuch, den Balken in die richtige Position zu schlagen, löste sich ein Eisenspan vom Meißel und traf den Kläger im linken Auge. Der Kläger erlitt hierbei eine perforierende Verletzung, die eine Operation erforderlich machte.

Das Eigenbauvorhaben und die Beteiligung privater Helfer waren gemäß § 192 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) vorab bei der Beklagten angemeldet worden. In der Unfallanzeige vom 28.12.2012 und einem am 17.01.2013 ausgefüllten Fragebogen teilte der Beigeladene mit, der Kläger habe ihm als Freundschaftsdienst beim Anbringen der Zierbalken geholfen. Er und der Kläger würden sich gegenseitig häufig Gefälligkeiten erweisen, wie z.B. Hilfe bei Renovierungsarbeiten oder Brennholz in Lagerraum schaffen. Zu dem Kläger bestehe seit ca. 20 Jahren eine freundschaftliche Beziehung (Freundeskreis, Kolping, Jugendferienlager als Teilnehmer/Leiter). Der Kläger habe ihm bis zum Unfall schon ca. 36 Stunden bei Trockenbauarbeiten geholfen. Wenn der Unfall nicht eingetreten wäre, wären voraussichtlich noch 10 Stunden Spachtelarbeiten angefallen. Die fachliche Leitung habe beim Kläger gelegen. Der Kläger sei gelernter Tischler, er selbst sei Energieanlagenelektroniker und Softwareentwickler. Das Arbeitsmaterial habe er gestellt und die Arbeitszeit bestimmt, der Kläger habe seine Zeit frei einteilen können. Die Fertigstellung der begonnenen Maßnahmen sei nach dem Unfall durch eine Firma erfolgt. Die im Vordruck im Wortlaut vorgegebene Frage, ob es sich um selbstverständliche, sich aus den konkreten sozialen Beziehungen ergebende gegenseitige Hilfsdienste gehandelt habe, bejahte der Beigeladene.

Mit Bescheid vom 28.05.2013 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund des Ereignisses vom 17.12.2012 ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger gehöre nicht zum versicherten Personenkreis. Er habe nicht in einem Beschäftigungsverhältnis zum Beigeladenen gestanden. Seine Mitarbeit habe auch nicht einer Tätigkeit im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses geähnelt, weil sich seine Tätigkeit im Rahmen dessen bewegt habe, was üblicherweise unter engen, seit Jahren verbundenen Freunden als Unterstützung, Mithilfe oder Dienstleistung geleistet werde. Auch eine freiwillige Versicherung habe zum Unfallzeitpunkt nicht vorgelegen.

Der Kläger widersprach der Ablehnung von Leistungen und machte geltend, dass er laut Leistungskatalog der Bauhelferversicherung der Beklagten Anspruch auf Versicherungsschutz habe. Das Verhältnis zu dem Beigeladenen sei sporadisch zu sehen und die Arbeiten an dessen Baustelle in Höhe der geleisteten Stunden seien kein Freundschaftsdienst gewesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.03.2014 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers aus den Gründen des angefochtenen Bescheides zurück. Der Kläger habe keinen Versicherungsfall nach § 7 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII), wozu u.a. Arbeitsunfälle gehörten, erlitten. Er sei sowohl im Rahmen einer freundschaftlichen Gefälligkeitsleistung als auch unternehmerähnlich tätig geworden. Aufgrund seiner langjährigen Freundschaft zu dem Beigeladenen seien gegenseitige Hilfsdienste als selbstverständliche Gefälligkeitsleistung anzusehen. Darüber hinaus habe der Kläger die fachliche Verantwortung der auszuführenden Arbeiten getragen und sich auch seine Zeit frei einteilen können. Eine freiwillige Versicherung sei nicht beantragt worden.

Am 09.04.2014 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Münster (SG) Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, er sei bei dem Unfall ...

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