Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der eheähnlichen Gemeinschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Bedarfsgemeinschaft gehört als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen die Person, die mit diesem in eheähnlicher Gemeinschaft lebt. Die eheähnliche Gemeinschaft geht über die reine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinaus. Wichtige Indizien für deren Feststellung sind die Dauer des Zusammenlebens, die Versorgung von Kindern und Angehörigen im gemeinsamen Haushalt und die Befugnis, über Einkommen des Partners zu verfügen.

Hinsichtlich der erforderlichen Dauer des Zusammenlebens gibt es keine feste Drei-Jahres-Grenze. Dagegen ergeben die Umstände des Zusammenziehens und Zusammenlebens gewichtig Hinweise für das Vorliegen von inneren Bindungen, welche über eine bloße Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen.

Die Berücksichtigung der eheähnlichen Gemeinschaft und deren Einkommen bei der Bedürftigkeitsprüfung des Hilfeempfängers ist verfassungsgemäß.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den einstweiligen Rechtsschutz ablehnenden Beschluss vom 12. April 2005 wird zurückgewiesen. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss vom 12. April 2005 betreffend die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).

Der im Jahre 1967 geborene Antragsteller (Ast) bezog bis zum 26.01.2002 Arbeitslosengeld (Alg) und bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe (Alhi). Er beantragte am 03.01.2005 bei der Antragsgegnerin (Ag) Arbeitslosengeld II und gab Frau B. T. (geboren 1972) als "nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten" an.

Mit Bescheid vom 15.01.2005 bewilligte die Ag dem Ast unter Berücksichtigung des vorgelegten Mietvertrags zwischen G T1 auf der einen und dem Ast sowie B. T. auf der anderen Seite vom 12.08.2003, der Strom- und Gaskostenabrechnung sowie einer Verdienstabrechnung von Frau T. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II i.H.v. 326,09 Euro monatlich. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.03.2005, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, zurück.

Am 25.02.2005 hat der Ast einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz beim Sozialgericht (SG) Dortmund gestellt und geltend gemacht, wegen der erst kurzen Dauer des Zusammenlebens habe sich zwischen ihm und Frau T. keine Gemeinschaft gebildet, in der beide gegenseitig in den Not- und Wechselfällen des Lebens für einander einstehen müssten. Im Übrigen bestünden erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken, gegen die Heranziehung von Partnern nicht ehelicher Lebensgemeinschaften im Rahmen des SGB II, da von allen erdenklichen Bedarfsgemeinschaften - unter Verstoß gegen das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes - nur die nicht eheliche Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau herangezogen werde.

Das SG hat mit Beschluss vom 12.04.2005 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und ausgeführt, jedenfalls ein Anordnungsgrund lasse sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen. Vorliegend spreche nach Lage der Akten alles dafür, dass die Ag Frau T. zu Recht in die Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Einkommen hineingerechnet habe. Insoweit gehöre nämlich zur Bedarfsgemeinschaft auch eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in eheähnlicher Gemeinschaft lebe (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 b SGB II). Da der Ast mit Frau T. schon seit Oktober 2003 zusammenlebe, sie selbst als Partnerin in eheähnlicher Gemeinschaft bezeichne und sich deren Einkommen bereits bei der Arbeitslosenhilfe habe anrechnen lassen, sei von einer derartigen Gemeinschaft mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auszugehen. Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Anrechnungsvorschrift seien nicht berechtigt. Dies gelte bereits deswegen, weil es einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht nicht gebe. Seien also homosexuelle Partnerschaften von einer Anrechnung zu Unrecht nicht betroffen, so könnten deswegen z.B. nicht Eheleute oder eheähnliche Lebensgemeinschaften einer Anrechnung entgehen. Im Übrigen sei unzutreffend, dass Personen gleichen Geschlechts, die in einer Wirtschafts- oder Einstandsgemeinschaft lebten, stets weitergehende Leistungen erhielten. Vielmehr werde bei allen Bedarfsgemeinschaften nach dem allgemeinen Nachranggrundsatz des SGB II darauf abgestellt, ob derjenige, der Hilfe geltend mache, diese nicht schon auf andere Weise erhalten habe oder erhalte. Dass diese Tatsachen nur schwer feststellbar seien, habe nicht die Rechtswidrigkeit der Anrechnungsvorschriften zur Folge.

Mit einem weiteren Beschluss vom gleichen Tag hat das SG die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt.

Der Ast hat gegen die ihm am 14.04.2005 zugestellten Beschlüsse am 22.04.2005 Beschwerden eingelegt. Er äußert erneut verfassungsrechtliche Bedenken gegen d...

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