Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe der Verfahrensgebühr im einstweiligen Rechtsschutz

 

Orientierungssatz

1. Bei Vorbefassung mit der gleichen Angelegenheit ist der Gebührenrahmen für die Verfahrensgebühr der Nr. 3102 VV RVG und nicht der Nr. 3103 VV RVG zu entnehmen. Der reduzierte Gebührenrahmen nach Nr. 3103 VV RVG findet in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes keine Anwendung.

2. Die Minderung trägt dem typisierend anzunehmenden Umstand Rechnung, dass bei Vorbefassung des Rechtsanwalts in einem dem Klageverfahren vorausgegangenen Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren ein Synergieeffekt auftritt, der sich in Gestalt einer Verringerung des Arbeitsaufwands und der Schwierigkeit im nachfolgenden Verfahren niederschlägt.

3. Der verringerte Gebührenrahmen nach Nr. 3103 VV RVG ist auf die Fälle beschränkt, in denen über die zeitliche Nachfolge des weiteren Verfahrens hinaus auch eine Identität der Streitgegenstände im vorausgegangenen Verwaltungs- und im nachfolgenden Verfahren besteht. Nur in diesem Fall ist die typisierende Annahme eines Synergieeffektes berechtigt.

4. Der Verfahrensgegenstand eines auf Erlass eines Verwaltungsaktes gerichteten Verwaltungsverfahrens wird einerseits vom Regelungswillen der Behörde und andererseits vom Begehren des Antragstellers bestimmt.

5. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes weist regelmäßig einen vom vorausgehenden Verwaltungsverfahren abweichenden Streitgegenstand auf. Die der Reduzierung des Gebührenrahmens nach Nr. 3103 VV RVG typisierend zugrunde gelegte Erwartung eines Synergieeffektes ist deshalb nicht gerechtfertigt. Damit ist der Gebührenrahmen für die Verfahrensgebühr des einstweiligen Rechtsschutzes der Nr. 3102 VV RVG zu entnehmen.

 

Tenor

Die Beschwerde des Vertreters der Staatskasse gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 19.11.2010 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Anwaltsvergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) nach abgeschlossenem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im Bereich der Grundsicherung des Sozialgesetzbuches Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

Nach vorprozessualer Befassung mit der gleichen Angelegenheit beantragte die von der Antragstellerin bevollmächtigte Beschwerdegegnerin am 29.04.2009 die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Erteilung der Genehmigung zu einem Umzug unter Übernahme der in der neuen Wohnung entstehenden Kosten der Unterkunft und Heizung sowie einer Umzugsbeihilfe. Das einstweilige Rechtsschutzverfahren wurde durch eine Vereinbarung mit beiderseitiger Erledigungserklärung nach einem etwas mehr als einstündigen Erörterungstermin am 30.04.2009 abgeschlossen.

Mit Beschluss vom 30.04.2009 hat das Sozialgericht der Antragstellerin zu 1) ab dem 30.04.2009 Prozesskostenhilfe bewilligt und ihr die Beschwerdegegnerin beigeordnet.

Am 11.11.2009 hat die Beschwerdegegnerin die Festsetzung einer von der Staatskasse zu erstattenden Vergütung i.H.v. 559,30 EUR beantragt nach Maßgabe folgender Einzelpositionen:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 250,00 EUR

Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 200,00 EUR

Pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR

Zwischensumme: 470,00 EUR

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 89,30 EUR

Gesamtsumme: 559,30 EUR.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Sozialgerichts hat die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen mit Beschluss vom 23.02.2010 auf 285,60 EUR festgesetzt und dabei folgende Einzelpositionen berücksichtigt:

Verfahrensgebühr Nr. 3102, 3103 VV RVG 20,00 EUR

Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 200,00 EUR

Pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR

Zwischensumme: 240,00 EUR

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 45,60 EUR

Gesamtsumme: 285,60 EUR.

Die Verfahrensgebühr berechne sich nach Nr. 3103 VV RVG und sei nach der kurzen Dauer der Beiordnung in Höhe der Mindestgebühr festzusetzen.

Gegen diesen Beschluss hat die Beschwerdegegnerin am 26.02.2010 Erinnerung eingelegt. Im Hinblick auf ihre vorprozessuale Tätigkeit sehe sie die Anwendung des Gebührenrahmens aus Nr. 3103 VV RVG für gerechtfertigt an und innerhalb dieses Rahmens eine Mittelgebühr von 170,00 EUR netto.

Mit Beschluss vom 19.11.2010 hat das Sozialgericht den Beschluss vom 23.02.2010 abgeändert und die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren auf 464,10 EUR festgesetzt unter Berücksichtigung folgender Einzelpositionen:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 170,00 EUR

Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 200,00 EUR

Pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR

Zwischensumme: 390,00 EUR

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 74,10 EUR

Gesamtsumme: 464,10 EUR.

Die Verfahrensgebühr sei der Nr. 3102 VV RVG, nicht Nr. 3103 VV RVG zu entnehmen, da Hauptsacheverfahren und Eilverfahren verschiedene Gegenstände hätten. Eine Verfahrensgebühr i.H.v. 170,00 EUR sei innerhalb des so gegebenen Rahmens festzusetzen bei unterdurchschnittlichem Umfang der anwaltlichen Tätigkeit, unterdurchschnittlichem Umfang des Verfahrens unter Berücksichtigung von Synergieeffekten aus der Vorbefa...

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