Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewilligung der Anschaffungskosten für ein Kinderbett und eine Matratze für eine vor der Geburt stehende Hilfebedürftige durch einstweiligen Rechtsschutz

 

Orientierungssatz

1. Der Begriff der Erstausstattung für die Wohnung in § 23 Abs. 3 SGB 2 ist nicht zeitlich, sondern bedarfsbezogen zu verstehen. Deshalb gehört die Ausstattung mit Möbeln für das zu gebärende Kind zur Erstausstattung der Wohnung. Hierzu zählen das Kinderbett und die Matratze.

2. Das Tatbestandsmerkmal der Erstausstattung ist insoweit weit auszulegen, als hierunter auch der durch die Geburt eines Kindes erstmals entstehende Bedarf zählt. Ein Ansparen aus dem Regelsatz ist bei einem Erstausstattungsbedarf grundsätzlich nicht möglich. Der für die Bewilligung von einstweiligem Rechtsschutz erforderliche Anordnungsgrund ergibt sich aus der bevorstehenden Geburt.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 01.03.2006 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren.

 

Gründe

I. Streitig ist im Beschwerdeverfahren noch die Verpflichtung der Antragsgegnerin, eine einmalige Hilfe in Höhe von 110,- EUR für ein gebrauchtes Kinderbett nebst Matratze zu gewähren.

Die 1978 geborene Antragstellerin zu 1) lebt zusammen mit ihren Kindern M (geb. 00.00.2001) und der Antragstellerin zu 2) (M geb. 00.00.2006) in einer Wohnung. Sie beziehen seit dem 01.01.2005 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Die Antragsgegnerin gewährte mit Bescheid 16.01.2006 auf Antrag der Antragstellerin zu 1) einen Betrag von 193,- EUR für eine Babyerstausstattung.

Am 21.01.2006 beantragte die Antragstellerin zu 1) zudem einen Kinderwagen mit Matratze, ein Kinderbett mit Matratze, eine Wickelkommode mit Wickelauflage und eine Badewanne. Sie berief sich auf einen Beschluss des Sozialgerichts Hannover (S 46 AS 65/05 ER), wonach ihr bzw. dem Neugeborenen entsprechende einmalige Hilfen zustünden. Mit Bescheid vom 01.02.2006 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab. Die geltend gemachten Bedarfe seien bereits durch den Regelsatz gedeckt. Der Gesetzgeber habe davon abgesehen, auch einen Anspruch auf Babyerstausstattung zu regeln. Den Widerspruch der Antragstellerin zu 1) wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.02.2006 zurück.

Am 17.02.2006 hat die Antragstellerin zu 1) hiergegen beim Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen Klage erhoben und erneut unter Verweis auf die genannte Rechtsprechung des SG Hannover beantragt, die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihr die beantragten Hilfen zu gewähren.

Das SG hat die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 01.03.2006 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig einmalige Hilfen für ein gebrauchtes Kinderbett inklusive Matratze in Höhe von 110,- EUR zu gewähren. Im Übrigen hat es den Antrag der Antragstellerin abgelehnt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, der Anordnungsanspruch ergebe sich aus § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGB II. Das Kinderbett mit Matratze falle unter den Begriff der Erstausstattung für die Wohnung. Das Tatbestandsmerkmal "Erstausstattung der Wohnung" sei nicht zeitlich, sondern bedarfsbezogen zu verstehen. Da das zu gebärende Kind der Antragstellerin nach seiner Geburt erstmals mit Möbeln etc. auszustatten sei, könne es sich bei diesem Bedarf nur um eine Erstausstattung handeln. Hingegen gehöre ein Kinderwagen mit Matratze nicht zu den nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 SGB II zu berücksichtigenden Gegenständen. Dem widerspreche der Wille des Gesetzgebers, der entgegen einem Vorschlag des Bundesrats davon abgesehen habe, den Gesetzeswortlaut um den Begriff der Babyausstattung zu ergänzen. Hinsichtlich der ebenfalls beantragten Hilfe für einen Wickeltisch nebst Auflage und eine Badewanne fehle es an einem Anordnungsgrund.

Gegen den ihr am 03.03.2006 zugestellten Beschluss des SG Gelsenkirchen hat allein die Antragsgegnerin am 28.03.2006 Beschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, ein Anordnungsanspruch sei nicht gegeben. Die Argumentation des SG Gelsenkirchen sei widersprüchlich. Der Bundesrat habe in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf nämlich vorgeschlagen, § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II um den Begriff "Babyausstattung" zu ergänzen, da ansonsten werdende Mütter, anders als nach dem Bundessozialhilfegesetz, lediglich einen Anspruch auf Schwangerschaftsbekleidung und Bekleidung für das Neugeborene, nicht aber auf die weitere Babyausstattung wie Kinderbett, Kinderwagen und Wickelauflage hätten. In Anbetracht der vom SG Gelsenkirchen herangezogenen Gesetzesbegründung und Entstehungsgeschichte hätte das SG nicht lediglich den Anspruch auf den Kinderwagen ablehnen dürfen.

Im Übrigen handele es sich, wie vom SG Gelsenkirchen zutreffend ausgeführt, bei dem Kinderwagen um einen Bedarf des Neugeborenen. Das Gesetz sehe grundsätzlich keine Leistungen zur Deckung d...

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