Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfall und Höhe der Rechtsanwaltsgebühren bei einer Untätigkeitsklage

 

Orientierungssatz

1. Nach Nr. 3106 Nr. 3 VV RVG fällt die sog. fiktive Terminsgebühr bei Beendigung eines erstinstanzlichen Verfahrens durch ein angenommenes Anerkenntnis an. Die Beendigung einer Untätigkeitsklage nach § 88 SGG durch den Erlass des begehrten Verwaltungsaktes bzw. Widerspruchsbescheides und der darauf folgenden einseitigen Erledigungserklärung des Klägers ist kein angenommenes Anerkenntnis in diesem Sinn. Infolgedessen ist die Terminsgebühr nicht angefallen.

2. Bei der Höhe der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG für eine Untätigkeitsklage ist deren eingeschränkter Streitgegenstand zu berücksichtigen. Sie zielt nur auf die Erzwingung des Fortgangs des Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahrens. Unter Berücksichtigung der nach § 14 RVG maßgebenden Kriterien ist ein Betrag von 70,- €. angemessen.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 18.01.2019 wird zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde und die unbenannten Rechtsmittel werden als unzulässig verworfen. Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin begehrt eine höhere Festsetzung ihrer Prozesskostenhilfevergütung für die Führung einer Untätigkeitsklage.

Sie ist zur Betreuerin der Klägerin bestellt (Aufgabenkreis: Wahrnehmung der Vermögensangelegenheiten, mit Einwilligungsvorbehalt).

In der Vergangenheit stellte die Klägerin, die in einer stationären Einrichtung untergebracht ist und dort Leistungen nach dem Dritten und Siebten Kapitel des SGB XII bezieht, (durch die Beschwerdeführerin) bei der Beklagten bzw. der Barmer - Krankenkasse -verschiedene Leistungsanträge.

Im März 2013 beantragte sie Leistungen der häuslichen Krankenpflege ab April 2013 (bis Dezember 2016). Diesen Antrag beschieden die Beklagte bzw. die Barmer - Krankenkasse - in der Folgezeit nicht, woraufhin die Klägerin (vertreten durch die Beschwerdeführerin) am 01.06.2017 beim Sozialgericht Detmold Untätigkeitsklage gegen die Beklagte und die Barmer - Krankenkasse - erhoben hat. Davor und danach hatte/hat die Beschwerdeführerin noch weitere Untätigkeitsklagen in materiell rechtlich ähnlich gelagerten Streitigkeiten für die Klägerin gegen die beiden genannten Träger erhoben. Gleichzeitig mit der Erhebung der hier zu Grunde liegenden Untätigkeitsklage hat sie einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter ihrer Beiordnung für die Klägerin gestellt. Die inhaltliche Begründung der Klage umfasst etwa sieben Zeilen.

Das Sozialgericht hat der Klägerin für die Zeit ab dem 01.06.2017 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Beschwerdeführerin bewilligt (Beschluss vom 11.07.2017),

Mit Beschluss vom 03.08.2017 hat es die Klage gegen die Barmer - Krankenkasse - abgetrennt und anderweitig weitergeführt.

Bereits mit Bescheid vom 23.06.2017 hat die Barmer - Krankenkasse - einen Anspruch der Klägerin auf häusliche Krankenpflege für den Zeitraum vom 01.04.2013 bis 31.12.2016 (im Rahmen einer Genehmigungsfiktion) anerkannt, was die Beschwerdeführerin in dem hier zu Grunde liegenden Klageverfahren am 27.06.2017 mitgeteilt hat.

Am 05.09.2017 hat sie "den Rechtsstreit wegen der Untätigkeit für erledigt" erklärt.

Am 19.06.2018 hat die Beschwerdeführerin für ihr Tätigwerden im Rahmen der Untätigkeitsklage beim Sozialgericht Detmold die Festsetzung folgender Gebühren und Auslagen beantragt:

Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG

150,00 EUR

Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG

135,00 EUR

Pauschale Post und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

Zwischensumme:

305,00 EUR

19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

57,95 EUR

Gesamtbetrag:

362,95 EUR

Der Aufwand für die anwaltliche Tätigkeit sei besonders hoch gewesen (fast zweiseitige Klageschrift; angesichts weiterer Verfahren zwischen denselben Beteiligten immer wieder zeitintensive Zuordnung von Schriftsätzen des Sozialgerichts zu den laufenden Verfahren usw.). Die streitbefangene Leistung habe der im Wachkoma befindlichen Klägerin die optimale Versorgung gesichert bzw. habe dies tun sollen. Es habe sich damit um eine Streitsache von existenzieller Bedeutung gehandelt. Die Wichtigkeit der Sache sei zusätzlich dadurch erhöht gewesen, dass es in der Untätigkeitsklage letztlich darum gegangen sei, die Klägerin vor Rückgriffen durch die Stadt C bzw. den Heimträger zu bewahren. Zudem sei die Beklagte bis zur Erhebung der Untätigkeitsklage seit Jahren immer wieder zu Bescheidung aufgefordert worden. Es habe zunächst zwei Beklagte mit jeweils eigenen rechtlichen Hintergründen (SGB V, SGB XI) gegeben, wobei umfangreiche Unterlagen hätten ausgewertet werden müssen. Die Sach- und Rechtslage sei schwierig gewesen. Die verschiedenen Leistungen anderer Träger (Stadt C, Heimträger) hätten bewertet werden müssen und seien rechtlich einzuordnen gewesen. Dabei habe immer Rücksprache insbesondere zu der Frage gehalten werden müssen, ob nicht einer der vorgenannten Träger die Untätigkeitsklage zu erheben gehabt hätte. Insgesamt habe die B...

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