Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermittlung der Kosten des Hilfebedürftigen für die Heizung - dezentrale Heizungsanlage - Schätzung

 

Orientierungssatz

1. Die Kosten des Betriebsstroms einer dezentralen Heizungsanlage sind grundsätzlich in die Berechnung der angemessenen Heizkosten einzustellen. Sie werden nicht vom Regelbedarf erfasst, sondern zählen zu den Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 35 SGB 12 (BSG Urteil vom 3. 12. 2015, B 4 AS 47/14 R).

2. Ist bei einer Heizungspumpe kein Zähler vorgeschaltet, der die tatsächlichen Aufwendungen aufzeichnet, so ist es zulässig, diese unter Anwendung von § 202 SGG i. V. m. § 287 Abs. 2 ZPO zu schätzen.

3. Das Vorbringen, aus gesundheitlichen Gründen ein höheres Heizverhalten zu haben, begründet keinen Anspruch auf einen individuellen Regelbedarf i. S. von § 27a Abs. 4 SGB 12. Dieses ist nicht dem Regelbedarf, sondern allein den Bedarfen für die Kosten der Unterkunft und Heizung zuzuordnen.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom

19.04.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, in welcher Höhe der Kläger Anspruch auf Übernahme der ihm entstandenen Stromkosten durch die Beklagte hat.

Der am 00.00.1947 geborene Kläger bewohnt allein eine 53 qm große Wohnung, für die er ab April 2012 eine Nettokaltmiete von 260,00 EUR zuzüglich Nebenkosten von 70,00 EUR, zusammen eine Bruttokaltmiete von 330,00 EUR zahlt. Die Wohnung wird mit einer wohnungsbezogenen Gastherme beheizt. Die Kosten für Strom und Gas zahlt der Kläger an den örtlichen Energieversorger; die Kosten für die Wartung der Heizung zahlt er ebenfalls selbst. Bis 30.09.2012 erhielt der Kläger Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Seit 01.10.2012 bezieht er Regelaltersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und erhält von der Beklagten ergänzende Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII).

Der Energieverbrauch und die Kosten des Klägers für Strom und Gas waren wie folgt:

Rechnungs-Datum

Abrechnungs-Zeitraum

Strom

Gas

kWh

EUR

kWh

EUR

26.10.2012

12.10.2011 - 11.10.2012

2.006

569,27

5.679

542,12

28.10.2013

12.10.2012 - 11.10.2013

2.040

624,89

6.557

604,48

24.10.2014

12.10.2013 - 13.10.2014

2.208

683,80

5.426

524,90

26.10.2015

14.10.2014 - 13.10.2015

2.025

629,97

6.798

621,61

26.10.2016

14.10.2015 - 14.10.2016

1.973

615,11

7.955

700,11

Durch Bescheide vom 18.12.2012, 22.05.2013, 23.09.2013, 15.11.2013 und 21.11.2013 bewilligte die Beklagte dem Kläger Grundsicherungsleistungen für Januar bis Dezember 2013. Dabei legte sie als monatlichen sozialhilferechtlichen Bedarf zugrunde: 382,00 EUR Regelbedarf, 8,79 EUR Mehrbedarf für Warmwasserbereitung, 330,00 EUR für Kosten der Unterkunft und 45,00 EUR (01-09/2013) bzw. 51,00 EUR (11-12/2013) für Heizkosten. Durch Bescheide vom 23.03.2014, 23.06.2014, 23.09.2014 und 26.11.2014 bewilligte die Beklagte Grundsicherungsleistungen für Januar bis Dezember 2014. Dabei legte sie als monatlichen sozialhilferechtlichen Bedarf zugrunde: 391,00 EUR Regelbedarf, 8,99 EUR Mehrbedarf für Warmwasserbereitung, 330,00 EUR für Kosten der Unterkunft und 51,00 EUR (01-9/2014) bzw. 43,00 EUR (11-12/2014) für Heizkosten. Durch Bescheide vom 17.12.2014 und 25.03.2015 bewilligte die Beklagte Grundsicherungsleistungen für Januar bis Dezember 2015. Dabei legte sie als monatlichen sozialhilferechtlichen Bedarf zugrunde: 399,00 EUR Regelbedarf, 9,18 EUR Mehrbedarf für Warmwasserbereitung, 330,00 EUR für Kosten der Unterkunft und 43,00 EUR für Heizkosten. Als Bedarf für Kosten der Unterkunft erkannte die Beklagte die tatsächlich zu zahlende Bruttokaltmiete an; Betriebskostennachforderungen wurden ggf. übernommen. Als Bedarf für Heizung erkannte die Beklagte die anfallenden Kosten für Gas entsprechend den Jahresabrechnungen des Energieversorgers in tatsächlicher Höhe an.

Mit Schreiben vom 10.10.2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten, diese möge rückwirkend ab 01.01.2013 und künftig die Stromkosten in tatsächlicher Höhe, mindestens aber in Höhe der Kosten für einen Bedarf von 1.550 kWh bzw. 2.050 kWh zuzüglich eines Zuschlags von 5% für den Strombetrieb der Heizungspumpe (Gastherme) übernehmen. Zur Begründung meinte er, der im Regelsatz der Regelbedarfsstufe 1 vorgesehene Energieanteil sei evident unzureichend. Nach Einschätzung des Vermittlungsausschusses des Bundestages betrage der durchschnittliche Stromverbrauch eines 1-Personenhaushaltes jährlich mit elektrischer Warmwasserversorgung 2.050 kWh und ohne elektrische Warmwasserversorgung 1.550 kWh.

Durch Bescheid vom 20.10.2014 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Kosten für den Haushaltsstrom seien im monatlichen Regelsatz enthalten. Ein vom Regelbedarf individuell abweichender Bedarf könne gemäß § 27a Abs. 4 SGB XII nur festgelegt werden, w...

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