Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer. rechtliche Erwerbsfähigkeit. bulgarischer Staatsangehöriger. abstrakte Möglichkeit der Arbeitserlaubnis-EU für geringfügige Beschäftigung. Arbeitnehmerfreizügigkeit

 

Orientierungssatz

1. Anspruch auf Leistungen des SGB 2 hat, wer ua erwerbsfähig ist. Rechtlich erwerbsfähig ist derjenige, dem die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte.

2. Einem bulgarischen Staatsbürger ist die Aufnahme einer Beschäftigung iS des § 2 Abs 2 Nr 1 FreizügG/EU 2004 generell nicht erlaubt. Er benötigt hierzu eine Arbeitsgenehmigung-EU durch die Bundesagentur für Arbeit nach § 284 Abs 1 SGB 3. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH hat er aber eine hinreichende Aussicht auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis-EU für eine geringfügige Beschäftigung iS von § 8 Abs 1 Nr 1 SGB 4. Damit ist er rechtlich erwerbsfähig.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 14.02.2008 geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig - unter dem Vorbehalt der Rückforderung - Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Maßgabe des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 29.01.2008 bis zum 14.06.2008 zu gewähren. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller für beide Rechtszüge. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von der Antragsgegnerin oder nach dem SGB XII von der Beigeladenen.

Die 1985 geborene Antragstellerin zu 1) ist bulgarische Staatsangehörige. Nach ihren Angaben hat sie in Bulgarien das Gymnasium besucht, im Jahre 2004 einen englisch-sprachigen Abschluss erlangt und in der Folgezeit eine Berufstätigkeit nicht ausgeübt. Im Jahre 2005 habe sie sich mit ihrer Mutter in Deutschland aufgehalten und im August 2005 Herrn B Z kennen gelernt. Er sei der Vater ihres 2006 geborenen Sohnes (Antragstellers zu 2). Ihr Kind habe sie in Bulgarien zur Welt gebracht. Herr Z sei bei der Geburt anwesend gewesen und habe ihr die Ehe versprochen. Die Beziehung sei im Dezember 2007 auseinander gegangen. Von August bis Dezember 2007 hätten sie gemeinsam in ihrer jetzigen Wohnung gewohnt. Gegenüber Herrn Z seien außergerichtliche Unterhaltsansprüche geltend gemacht worden; gerichtlich derzeit noch nicht, weil diese abhängig seien vom Ausgang des Vaterschaftsverfahrens, welches beim Amtsgericht Gelsenkirchen unter dem Aktenzeichen 33 F 32/08 anhängig sei. Zurzeit erhalte sie Spenden vom ev. Kirchenkreis H.

Der Antragstellerin wurde von der Ausländerbehörde eine Fiktionsbescheinigung über die beantragte Aufenthaltserlaubnis nach § 81 AufenthG erteilt.

Die Antragstellerin beantragte am 23.01.2008 die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 23.01.2008 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Hinweis auf § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ab. Hiergegen legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 29.01.2008 Widerspruch ein.

Unter dem 18.01.2008 hatte die Antragstellerin zu 1) für sich und ihren Sohn bei der Beigeladenen Leistungen nach dem SGB XII beantragt. Auch dieser Antrag blieb erfolglos (Bescheid vom 29.01.2008). Die Beigeladene führte aus, dass vorrangige Ansprüche gegenüber dem Integrationscenter für Arbeit Gelsenkirchen (Antragsgegnerin) bestünden. Hiergegen legten die Antragstellerin mit Schreiben vom 21.02.2008 Widerspruch ein.

Zuvor hatten die Antragsteller am 29.01.2008 beim Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr und ihrem Sohn vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren.

Mit Beschluss vom 14.02.2008 hat das SG den Antragstellern Prozesskostenhilfe bewilligt. Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat es mit weiterem Beschluss vom 14.02.2008 abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht haben. Die Antragstellerin zu 1) sei nicht erwerbsfähig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II.

Gegen den ihnen am 14.02.2008 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 21.02.2008 Beschwerde eingelegt. Sie sind der Auffassung, dass ihnen Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII zustehen.

Die Antragsteller beantragen sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 14.02.2008 zu ändern und ihnen im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II oder SGB XII zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin ist weiterhin der Auffassung, dass die Antragsteller keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II haben. Di...

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