Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflicht zur Verwertung einer bestehenden Lebensversicherung

 

Orientierungssatz

1. Als Vermögen ist eine Lebensversicherung nach § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SGB 2 dann nicht zu berücksichtigen, wenn deren Verwertung für den Hilfebedürftigen offensichtlich unwirtschaftlich wäre. Das ist dann der Fall, wenn der zu erzielende Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert steht. Der gegenwärtige Verkaufspreis ist dem Substanzwert gegenüberzustellen.

2. Der zu erzielende Gegenwert steht bei einer vorzeitigen Auflösung der Lebensversicherung dann in einem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert, wenn der zu errechnende Verlust von eingezahlten Beträgen und Rückkaufswert bei 29 % liegt.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 13.10.2009 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.

 

Gründe

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Gelsenkirchen vom 13.10.2009 ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -, BVerfGK 5, 237).

Das SG hat die Antragsgegnerin zu Recht einstweilen verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 01.10.2009 für die Dauer von 6 Monaten, längstens bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in Höhe von 668,- EUR zu zahlen.

Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben bzw. die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

Die Antragsteller ist Berechtigter im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB II. Er hat das 15. Lebensjahr vollendet und noch nicht die Altersgrenze erreicht, ist erwerbsfähig und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Der Bedarf des Antragstellers in Höhe von 668,- EUR ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Hilfebedürftigkeit im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 9 Abs. 1 SGB II hat das SG bei dem Antragsteller, der bei der Antragsgegnerin seit Januar 2005 im Leistungsbezug steht, zu Recht auch für den Zeitraum ab 01.10.2009 bejaht.

Nach summarischer Prüfung ist der Antragsteller nicht in der Lage, seinen Lebensunterhalt durch verwertbares Vermögen in Gestalt der Kapitallebensversicherung ohne Leistungen nach dem SGB II zu bestreiten. Zwar überschritt der Verkehrswert der Lebensversicherung in dem nach § 12 Abs. 4 S. 1 SGB II maßgeblichen Zeitpunkt im September 2009 die Freibetragsgrenze nach § 12 Abs. 2 Nrn. 1 und 4 SGB II. Für den im April 1965 geborenen Antragsteller errechnet sich ein Gesamtfreibetrag nach § 12 Abs. 2 Nrn. 1 und 4 SGB II (in der Fassung vom 20.04.2007, berechnet nach der ab 01.01.2008 gültigen Fassung) in Höhe von 7350,- EUR (44 x 150,- EUR + 750,- EUR). Dem gegenüber betrug der Rückkaufswert der Lebensversicherung 10706,59 EUR zum 01.09.2009.

Die Verwertung der Lebensversicherung ist für den Antragsteller jedoch offensichtlich unwirtschaftlich im Sinne des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 1. Alt SGB II. Wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits in mehreren Entscheidungen ausgeführt hat, liegt eine offensichtliche...

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