Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. fiktive Terminsgebühr. Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. außergerichtliche Einigung

 

Orientierungssatz

1. Im Hinblick auf das Entstehen der fiktiven Terminsgebühr im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erscheint es unerheblich, dass für das einstweilige Anordnungsverfahren die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht zwingend vorgeschrieben ist. Durch die fiktive Terminsgebühr soll auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die außergerichtliche Einigung gefördert werden. Für den Anfall dieser Gebühr ist es ausreichend, dass die Durchführung eines Termins möglich ist.

2. In Anbetracht der Tatsache, dass im Eilrechtsschutz nur die Feststellung der aufschiebenden Wirkung der zeitgleich eingereichten Klage streitig ist, sind bei einem unterdurchschnittlichen Umfang und bei unterdurchschnittlicher Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit die angefallenen Rechtsanwaltsgebühren jeweils mit 2/3 der Mittelgebühr festzusetzen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Bevollmächtigten der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 10.12.2009 geändert. Die dem Prozessbevollmächtigten der Antragsteller aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung wird auf 788,97 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Höhe der nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe aus der Landeskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung für ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren.

Mit Bescheid vom 18.09.2008 und Widerspruchsbescheid vom 04.11.2008 senkte die Antragsgegnerin gestützt auf § 31 Abs. 1 SGB II das dem Antragsteller zu 1) gewährte Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01.10.2008 bis 31.12.2008 monatlich um 30 % der Regelleistung ab. Hieraus ergab sich eine Absenkung der monatlichen Leistung für den Antragsteller zu 1) in Höhe von 95,00 EUR. Am 04.12.2008 beantragte der Bevollmächtigte der Antragsteller (Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft), die aufschiebende Wirkung der am selben Tag erhobenen Klage anzuordnen. Mit Schriftsatz vom 12.12.2008 hob die Antragsgegnerin den angefochtenen Bescheid auf. Die Kläger nahmen das Anerkenntnis an, die Antragsgegnerin verpflichtete sich zur Erstattung der Kosten dem Grunde nach. Mit Beschluss vom 15.12.2008 bewilligte das Sozialgericht Münster den Antragstellern Prozesskostenhilfe und ordnete den Prozessbevollmächtigten bei.

Der Bevollmächtigte hat folgende Vergütungsfestsetzung beantragt:

Verfahrensgebühr Nr. 3102, Nr. 1008 VV/RVG 750,00 EUR

Terminsgebühr Nr. 3106 VV/RVG 200,00 EUR

Auslagenpauschale Nr. 7002 VV/RVG 20,00 EUR

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV/RVG 184,30 EUR

Gesamt: 1.154,30 EUR

Die Urkundsbeamtin setzte die Vergütung wie folgt fest (Beschluss vom 23.12.2008):

Verfahrensgebühr Nr. 3102, Nr. 1008 VV/RVG 510,00 EUR

Terminsgebühr Nr. 3106 VV/RVG 133,00 EUR

Pauschale Nr. 7002 VV/RVG 20,00 EUR

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV/RVG 125,97 EUR

Gesamt: 788,97 EUR

Gegen diese Entscheidung legten der Bevollmächtigte der Antragsteller, die Antragsgegnerin sowie der Bezirksrevisor als Vertreter der Staatskasse Erinnerung ein. Während der Bevollmächtigte der Antragsteller die Erinnerung zunächst nicht näher begründete, bemängelte die Antragsgegnerin die Festsetzung der Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV/RVG. Der Bezirksrevisor beantragte, die Vergütung auf 630,70 EUR festzusetzen. Er meinte, eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV/RVG falle im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht an.

Mit Beschluss vom 10.12.2009 hat das Sozialgericht Münster die Vergütung auf 630,70 EUR festgesetzt. Es hat die Erinnerung des Bevollmächtigten der Antragsteller und der Antragsgegnerin zurückgewiesen und auf die Erinnerung des Bezirksrevisors die festzusetzende Vergütung um die fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV/RVG nebst Umsatzsteuer reduziert. Die fiktive Terminsgebühr falle nur in solchen Verfahren an, in denen eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben oder doch der Regelfall ist. Dies sei bei einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht der Fall. Nach Sinn und Zweck der Regelung in Nr. 3106 Anmerkung Ziff. 3 VV/RVG solle die Bereitschaft der Anwälte gefördert werden, durch ihr prozessuales Verhalten eine Terminierung der Streitsache bei einem Anerkenntnis zu vermeiden. Der Anwalt, dem in Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung eine Verhandlungsgebühr zukomme, solle diese auch erhalten, wenn das Verfahren ohne mündliche Verhandlung endet. Dieser Zweck könne in einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht erreicht werden, da gemäß §§ 86 b Abs. 4, 124 Abs. 3 SGG eine mündliche Verhandlung nicht vorgesehen sei. Gegen diese dem Bevollmächtigten der Antragsteller am 18.12.2009 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 04.01.2010 (Montag) eingelegte Beschwerde des Bevollmächtigten der Antragsteller. Er begehrt die Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung auf 1.154,30 EUR und meint, aus dem Wortlaut von Ziff. 3 d...

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