Entscheidungsstichwort (Thema)

Anerkennung eines Mehrbedarfs zur Anschaffung einer Brille

 

Orientierungssatz

1. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt u. a. voraus, dass von Amts wegen weitere Ermittlungen durchzuführen sind, bevor die streiterhebliche Frage abschließend beantwortet werden kann, vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 2002 - 1 BvR 1450/00.

2. Ob für die Anschaffung einer Brille ein Zuschuss als Mehrbedarf i. S. von § 21 Abs. 6 SGB 2 zu bewilligen ist, hängt davon ab, ob deren Anschaffung einen laufenden und nicht nur einmaligen Bedarf darstellt.

3. Bei der Anschaffung einer zum Ausgleich einer Sehschwäche erforderlichen Brille handelt es sich regelmäßig um einen einmaligen Bedarf.

4. Etwas Anderes kann dann gelten, wenn eine chronische Augenerkrankung zu einer kontinuierlichen Verschlechterung des Sehvermögens führt, sodass die Anpassung der Sehschärfe immer wiederkehrend erforderlich ist.

5. Das Tatbestandsmerkmal des laufenden Bedarfs ist bei der Abgrenzung zum einmaligen Bedarf weit auszulegen. Danach ist ein laufender Bedarf auch dann anzunehmen, wenn er zwar häufiger auftritt, nicht jedoch zwingend in jedem Bewilligungsabschnitt gegeben ist und wegen der Höhe der damit verbundenen Aufwendungen nicht über die Darlehensregelung des § 24 Abs. 1 SGB 2 erfasst werden kann.

6. Sind zu einer entsprechenden Beurteilung weitere Ermittlungen des Gerichts erforderlich, so ist bei Vorliegen der weiteren gesetzlichen Voraussetzungen Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 03.01.2013 geändert. Dem Kläger wird für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Düsseldorf ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt U. aus Düsseldorf beigeordnet.

Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet. Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für die gegen den Bescheid vom 12.07.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.10.2012 gerichtete Klage, mit der der Kläger die Übernahme der Kosten für die Anschaffung einer Brille in Höhe von 358,- Euro als Zuschuss statt als Darlehen geltend macht, zu Unrecht abgelehnt.

Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 114 Satz 1, 115 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht dann, wenn der Antragsteller - bei summarischer Prüfung - in der Hauptsache möglicherweise obsiegen wird. Dabei dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten jedoch nicht überspannt werden (vgl. BVerfGE 81, 347 (356 ff.)). Hinreichende Erfolgsaussichten sind grundsätzlich zu bejahen, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bisher ungeklärten Rechtsfrage abhängt (BVerfG a.a.O.) oder wenn von Amts wegen weitere Ermittlungen durchzuführen sind, bevor die streiterheblichen Fragen abschließend beantwortet werden können, und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Ermittlungen mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen würden (vgl. BVerfG, Beschl. der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20.02.2001 - 1 BvR 1450/00 -, juris Rn. 12).

Nach diesen Grundsätzen kann der Klage eine hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht abgesprochen werden.

Um zu klären, ob die Kosten für die Anschaffung der Brille des Klägers auf Grundlages des § 21 Abs. 6 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) als Zuschuss von dem Beklagten übernommen werden können, sind weitere Ermittlungen erforderlich. Nach § 21 Abs. 6 SGB II können grundsätzlich nur solche Bedarfe berücksichtigt werden, die einen laufenden und im Unterschied zu der darlehensweisen Leistungsgewährung im Anwendungsbereich des § 24 SGB II nicht nur einmaligen Bedarf darstellen.

Mit dem Sozialgericht Düsseldorf ist davon auszugehen, dass es sich bei der Anschaffung einer zum Ausgleich einer Sehschwäche erforderlichen Brille regelmäßig um einen solchen einmaligen Bedarf handelt, so dass grundsätzlich nur eine darlehensweise Kostenübernahme möglich ist. Etwas anders kann jedoch dann gelten, wenn aufgrund der besonderen Sachlage, beispielsweise aufgrund der bestehenden Erkrankungen, nicht ausgeschlossen werden kann, dass es sich bei der Anschaffung der Brille um einen regelmäßig wiederkehrenden Sonderbedarf handelt.

Der Kläger verweist im vorliegenden Fall auf eine chronische Augenerkrankung (chronische Bindehautentzündung, Hornhautdistrophie, Linseneintrübung und Hornhauterosion im linken Auge), und trägt vor, dass diese zu einer kontinuierlichen Verschlechterung des Sehvermögens führen w...

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