Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadenersatzanspruch gegen Einzugsstelle. Unterlassung. Beanstandung. Betriebsprüfung. Vertrauensschutz

 

Orientierungssatz

Aus der Unterlassung von Beanstandungen bei Betriebsprüfungen kann Vertrauensschutz nicht hergeleitet werden (vgl zuletzt BSG vom 28.4.1987 - 12 RK 47/85 = USK 8750).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.01.2000; Aktenzeichen B 12 KR 10/99 R)

 

Tatbestand

Die klagende Arbeitgeberin nimmt die Beklagte als Einzugsstelle auf Zahlung in Höhe des Betrages in Anspruch, den sie als Arbeitnehmeranteil an Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für den Beschäftigten S.R. ≪der Beschäftigte≫ abgeführt hat - auf eine Beitragsnacherhebung durch die Beklagte, erfolgt zu einem Zeitpunkt, der eine Nachholung des Abzugs des Beitragsanteils vom Arbeitsentgelt bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nicht mehr möglich machte (§ 28 g S. 3 1. Halbs. des Sozialgesetzbuches ≫SGB≫ IV).

Der Beschäftigte war von November 1988 bis September 1991 für die Klägerin tätig. Er erzielte nach dem Lohnjournal der Klägerin von Januar bis September 1989 monatliche Bruttoarbeitsentgelte von im arithmetischen Mittel 1522,58 DM, im Oktober 1989 2446,40 DM und von Oktober 1989 bis zu seinem Ausscheiden Entgelte von im arithmetischen Mittel 2280,89 DM. Der Beschäftigte war zugleich als Student an der Fachhochschule H eingeschrieben und hatte der Klägerin darüber Bescheinigungen vorgelegt. Er hat dazu im späteren Arbeitsgerichtsstreit mit seiner Arbeitgeberin ( ArbG I) vorgetragen: er habe sein Studium im Wintersemester 1985/86 aufgenommen und sei als Student bei der Techniker Krankenkasse versichert gewesen; nach der Regelstudienzeit von 6 Semestern habe er im vorlesungsfreien Semester bei der Klägerin mit stundenweiser, befristeter Aushilfstätigkeit angefangen, um sich mit ihr im Februar 1988 auf eine Arbeitszeit "vormittags bis maximal 12 Uhr" zu verständigen; auf Drängen der Klägerin habe er seine Tätigkeit im Herbst 1989 erweitert, und im November 1990 habe er der Arbeitgeberin mitgeteilt, daß er ab dem 1.12.1990 versicherungspflichtig tätig sein wolle, weil er heiraten und mit seiner Frau versichert sein wolle. Nach Darstellung der Klägerin wurden für die Zeit ab Dezember 1990 Sozialversicherungsbeiträge abgeführt, weil der Beschäftigte mitgeteilt hatte, daß er sein Studium abgebrochen habe.

Am 8.11.1989 hatte ein Betriebsprüfer der Funktionsvorgängerin der Beklagten bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durchgeführt; sein Bericht vom selben Tage (Ablichtung Blatt 26 der Gerichtsakten) weist den Beschäftigten S.R. betreffende Feststellungen nicht aus.

Im August 1992 führte die Funktionsvorgängerin der Beklagten bei der Klägerin eine Beitragskonten-Abstimmung nach § 28 p SGB IV für die Zeit vom 1.10.1989 bis zum 30.6.1992 durch. In Auswertung der Prüfung entschied die Beklagte mit an die Klägerin adressiertem, von dieser nicht angefochtenem Bescheid vom 10.8.1992: die Klägerin habe für den Beschäftigten S.R. und für die Zeit vom 1.10.1989 bis zum 30.11.1990 11.382,54 DM Gesamtsozialversicherungsbeiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil ohne Umlage) nachzuentrichten, weil Versicherungsfreiheit aufgrund des Studiums nicht anzunehmen sei, da die zulässige wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden überschritten worden sei.

Die Klägerin teilte diesen Sachverhalt dem Beschäftigten mit und forderte ihn vergeblich auf, ihr den von ihr abgeführten Arbeitnehmeranteil von 5.691,27 DM zu erstatten. Im nachfolgenden Arbeitsgerichtsrechtsstreit (ArbG I) der Klägerin gegen den Beschäftigten verkündete die Klägerin der Funktionsvorgängerin der Beklagten den Streit und trug vor: der AOK hätten bei der Betriebsprüfung am 8.11.1989 auch den Beschäftigten S.R. betreffenden Unterlagen vorgelegen; so auch die Gehaltsabrechnung vom 5.11.1989 für Oktober 1989, auf dem der Prüfer U den handschriftlichen Vermerk "Student" angebracht habe (Doppel Blatt 16 der Gerichtsakten); eine Beanstandung sei nicht erfolgt; der rechtzeitige Beitragsabzug sei deshalb ohne ihr Verschulden unterblieben (§ 28 g S 3 2. Halbs SGB IV).

Mit Urteil vom 5.4.1993 hat das A I die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, auch wenn der rechtzeitige Beitragsabzug ohne Verschulden der Arbeitgeberin iS von § 28 g S 3 SGB IV unterblieben wäre, könnten die Beitragsanteile gemäß § 28 g S 2 SGB IV nur im Lohnabzugsverfahren geltend gemacht werden; ein solcher Abzug stehe aber nicht in Streit und auf Verschulden des Beschäftigten könne sich die Klägerin nicht berufen. Die Klägerin hat gegen das Urteil Berufung nicht eingelegt.

Sie hat, beginnend mit Schreiben vom 27.4.1993, von der Funktionsvorgängerin Zahlung in Höhe der abgeführten Arbeitnehmeranteile verlangt, weil sie im Wege des Herstellungsanspruchs so zu stellen sei, als sei die Prüfung 1989 ordnungsgemäß erfolgt. Auf die Bitte der Klägerin um einen formellen Bescheid teilte ihr die Funktionsvorgängerin der Beklagten mit Bescheid vom 11.8.1993 und den Widerspruch der Klägerin in der Sache...

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