Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Versäumung der Frist für eine Gebührenbeschwerde nach dem RVG. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Prozesskostenhilfeverfahren. anwendbare Vorschriften. Antragserfordernis. Sorgfaltspflichten des Rechtsanwalts. Fristwahrung als wesentliche Aufgabe. fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung. vermutetes Fehlen des Verschuldens. Widerlegung der Vermutung bei Rechtsanwälten

 

Orientierungssatz

1. Für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Frist für eine Gebührenbeschwerde (nach dem RVG) sind die Vorschriften der §§ 56 Abs 2 S 1, 33 Abs 5 S 1 RVG über § 73a Abs 1 SGG anwendbar. Diese gehen als spezialgesetzliche Regelungen den allgemeinen Bestimmungen zur Wiedereinsetzung vor.

2. Abweichend von § 67 Abs 2 S 4 SGG ist im Verfahren über eine Gebührenbeschwerde die Wiedereinsetzung nur auf Antrag und nicht von Amts wegen möglich.

3. Übernimmt ein Rechtsanwalt eine Prozessvertretung, so ist die Wahrung prozessualer Fristen eine seiner wesentlichen Aufgaben, denen er seine besondere Sorgfalt widmen muss.

4. Zur Widerlegung der Vermutung des fehlenden Verschuldens im Fall einer unterbliebenen oder fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung (§ 33 Abs 5 S 2 RVG) bei Rechtsanwälten.

 

Tenor

Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 30.06.2016 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I. Der Beklagte setzte durch Bescheide vom 30.09.2014 die der Klägerin und ihrem Ehemann zustehenden Leistungen für die Monate Juni und Juli 2014 unter Anrechnung von Einkommen des Ehemannes getrennt jeweils neu fest und forderte einen danach überzahlten Betrag in Höhe von 307,00 EUR zurück. In dem vom Ehemann der Klägerin geführten Klageverfahren S 32 AS 322/15 wurde diesem durch Beschluss vom 18.08.2015 Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt und Rechtsanwalt T aus der Rechtsanwaltskanzlei S Rechtsanwälte beigeordnet. Der Klägerin wurde im vorangegangenen Klageverfahren S 32 AS 323/15 durch Beschluss vom selben Tage ebenfalls PKH bewilligt und der Beschwerdeführer, gleichfalls aus der Rechtsanwaltskanzlei S Rechtsanwälte, beigeordnet. Die Verfahren wurden am 04.12.2015 von 10.30 Uhr bis 11.00 Uhr beim SG gemeinsam verhandelt und beide durch gerichtlichen Vergleich beendet, wonach der Beklagte den Eheleuten jeweils die anteilige Rückforderung für den Monat Juni 2014 erließ und für Juli 2014 noch eine Erstattung iHv jeweils 76,75 Euro forderte. Die Beteiligten einigten sich zudem auf die Übernahme der Hälfte der außergerichtlichen Kosten für die jeweiligen Widerspruchsverfahren; erstattungsfähige außergerichtliche Kosten für das Klageverfahren wurden nicht übernommen.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte im Verfahren S 33 AS 322/15 auf Antrag der P GmbH - Abrechnung für Rechtsanwälte (im Folgenden: P), die eine Abtretungserklärung für Rechtsanwalt T vorgelegt hatte, die - dem nicht beigeordneten - Rechtsanwalt T (über die P) zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 981,75 EUR fest. Mit Beschluss vom 06.06.2016, in dessen Rubrum die P als Beteiligte des Festsetzungsverfahrens aufgeführt ist, hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle im Verfahren S 33 AS 323/15 den ebenfalls über die P gestellten Festsetzungsantrag vom 15.12.2015 zurückgewiesen. Bei den Klageverfahren der Eheleute handele es sich um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG, sie beruhten auf demselben Lebenssachverhalt. Die Vorgehensweise des Klägerbevollmächtigten, anstelle von gemeinsamem Widerspruchs- und Klageverfahren getrennt vorzugehen, verstoße gegen das standesrechtliche Gebot und die mandatsvertragliche Pflicht einer wirtschaftlichen und kostensparenden Prozessführung. Die Landeskasse sei letztlich nicht verpflichtet, Kosten zu tragen, die bei Beachtung dieser wirtschaftlichen Grundsätze nicht entstanden wären. Die Bestimmung der Gebühren durch den Bevollmächtigten sei nach § 14 RVG nicht bindend, da unbillig. Die Kosten für beide Verfahren seien wie folgt zu ermitteln:

Kosten des Widerspruchsverfahrens Geschäftsgebühr Nr. 2302 VV RVG 300,00 EUR Erhöhung Nr. 1008 VV RVG um 30 Prozent 90,00 EUR Kopiekosten 8,00 EUR USt 79,42 EUR Gesamt 497,42 EUR

Die Geschäftsgebühr sei in Höhe von 390,00 EUR entstanden und zu ½ (195,00 EUR), gekappt auf 175,00 EUR anzurechnen.

Kosten des Klageverfahrens Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 300,00 EUR Erhöhung Nr. 1008 VV RVG 90,00 EUR abzgl Anrechnung nach Vb 3 Abs. 4 VV RVG gekappt - 175,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 300,00 EUR Einigungsgebühr Nrn. 1006, 1005, 1000 VV RVG 300,00 EUR Fahrtkosten 57,66 EUR Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV RVG 25,00 EUR Auslagenpauschale 20,00 EUR USt 170,56 EUR Summe 1068,22 EUR

Hierauf anzurechnen Vorschuss aus S 33 AS 323/15 380,80 EUR Festsetzung in S 33 AS 322/15 981,75 EUR Überzahlung 294,33 EUR

Eine weitere Festsetzung könne somit nicht erfolgen.

Dagegen hat der Beschwerdeführer am 24.06.2016 Erinnerung eingelegt und verlangt, ...

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