Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufschiebende Wirkung von Klagen gegen sozialversicherungsrechtliche Beitragsbescheide nach Betriebsprüfung

 

Orientierungssatz

Für Beitragsbescheide im Betriebsprüfungsverfahren nach § 28p SGB IV gilt § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG unmittelbar mit der Folge, dass Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben. Insoweit kommt § 7a Abs. 7 S. 1 SGB 4 nicht zur Anwendung.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 27. März 2008 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 15.446,62 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin (ASt in) wendet sich gegen eine Beitragsnachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 61.786,48 EUR zuzüglich Säumniszuschlägen (SZ) von 6.646,50 EUR, die nach einer Betriebsprüfung gemäß § 28p Abs 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) vom 29.06. bis 06.08.2007 durch Bescheid der Antragsgegnerin (AG in) vom 28.11.2007 festgesetzt worden sind. Gegen die unter dem Namen der ASt in handelnden B E sind ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft (StA) Aachen (Az: 301 Js 943/06; wegen des Verdachts auf Vorenthalten von Beiträgen zur Sozialversicherung) und Ermittlungsverfahren des Hauptzollamtes (HZA) B - Finanzkontrolle Schwarzarbeit - (Az: 000) und des Finanzamtes (FA) B (St-Nr: 000) anhängig. Die Beitragsnachforderung beruht auf Tätigkeiten der polnischen Staatsbürger U L, T L, N Q, X C, L L, A N, X M und L C im Prüfzeitraum vom 01.08.2005 bis zum 30.11.2006 für die ASt in, wobei umstritten ist, ob diese als sog selbständige Nachunternehmer oder als abhängig Beschäftigte der ASt in tätig geworden sind. Den Antrag vom 14.12.2007 auf Aussetzung der Vollziehung des Bescheides vom 28.11.2007 lehnte die AG in ab (Bescheid vom 01.02.2008).

Mit Beschluss vom 27.03.2008 hat das Sozialgericht (SG) Aachen den Antrag der ASt in vom 07.02.2008 auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 14.12.2007 gegen den Bescheid vom 28.11.2007 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dem Widerspruch komme nach § 86a Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) keine aufschiebende Wirkung zu; die in der Rechtsprechung herangezogene Ausnahmevorschrift des § 7a Abs 7 Satz 1 SGB IV greife nicht ein, denn diese Vorschrift ordne nur die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs im Rahmen eines hier nicht vorliegenden Statusverfahrens nach § 7a Abs 1 SGB IV an. Die Voraussetzungen der Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs 2 Nr 1 SGG seien vorliegend nicht erfüllt, denn ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides beständen nicht und die Vollziehung stelle für die ASt in keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte dar.

Gegen diesen, ihrem Prozessbevollmächtigten am 29.03.2008 zugestellten Beschluss hat die ASt in am 02.04.2008 Beschwerde eingelegt und zur Begründung vorgetragen, das SG habe unter Außerachtlassung europäischen Rechts nicht erkannt, dass die polnischen Staatsbürger weisungsfrei im Rahmen ausdrücklich geschlossener Nachunternehmerverträge auf eigene Rechnung tätig geworden seien. Er sei beauftragt worden, am Beispiel des vorliegenden Falles ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen Missachtung der Freizügigkeit von Selbständigen bei der EU-Kommission anzuregen; ggf sei nach Art 234 EG-Vertrag (EGV) die notwendige Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) einzuholen. Zudem habe die AG in in keiner Weise den Versuch unternommen, irgendwelche Aufklärung bei den für die ASt in tätig gewordenen Selbständigen zu betreiben. Ebenfalls habe er bei der Einsichtnahme in die Strafermittlungsakte erfahren, dass die AG in dort bereits im Januar 2008 den Schadensbetrag für die angeblich nicht abgeführten Gesamtsozialversicherungsbeiträge nicht mehr mit 61.786,48 EUR, sondern nur noch mit 33.551,62 EUR angegeben habe. Selbst wenn bei dieser Berechnung eine sog "Nettolohn-Abrede" unterstellt worden sei, könne der Unterschied zwischen Netto- und Bruttolohn nicht rund 100% betragen. Er vermute weiterhin, dass die AG in während des gesamten Verfahrens ihre Akten unvollständig vorgelegt habe und möglicherweise zusätzliche (Geheim-)Akten führe.

Die AG in beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 27.03.2008 abzuändern und festzustellen, dass der Widerspruch vom 14.12.2007 gegen den Bescheid vom 28.11.2007 aufschiebende Wirkung habe,

hilfsweise, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 14.12.2007 gegen den Bescheid vom 28.11.2007 anzuordnen,

weiter hilfsweise, vor einer Entscheidung des erkennenden Senates der Antragsgegnern aufzugeben, die ("diesmal aber wirklich") vollständigen Akten dem Gericht vorzulegen; zu erklären, wieso die genannten Aktenteile bisher vorenthalten gewesen seien, und zu versichern, dass die Akten nunmehr vollständig seien, und Akten...

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