Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlehensweise Übernahme von Energieschulden durch einstweiligen Rechtsschutz

 

Orientierungssatz

1. Nach § 22 Abs. 8 SGB 2 können u. a. Energieschulden vom Grundsicherungsträger übernommen werden, wenn dem Hilfebedürftigen anderenfalls Wohnungslosigkeit droht. Sofern dies im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geschehen soll, ist hierzu die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes erforderlich.

2. Eine Darlehensgewährung nach § 22 Abs. 8 SGB 2 seitens des Grundsicherungsträgers ist erst erforderlich, wenn zumutbare Möglichkeiten des Leistungsempfängers ergebnislos ausgeschöpft worden sind, eine Fortsetzung der Energielieferung zu erreichen.

3. Hierzu hat sich der Leistungsberechtigte sowohl um Ratenzahlungsvereinbarungen mit dem bisherigen Energieversorger als auch um einen Vertragsabschluss mit einem anderen Stromanbieter zu bemühen. Dem Leistungsberechtigten ist es regelmäßig zumutbar, sich im Zivilrechtsweg gegen eine angekündigte oder ausgeübte Stromsperre zu wenden. Die Hürden für Energieversorger, eine Liefersperre zivilrechtlich durchzusetzen, gelten als hoch.

4. Hat sich der Hilfebedürftige erstmals mehrere Monate nach Erhalt der Rechnung über die Nachforderung seines Energieversorgers mit diesem zwecks Vereinbarung einer Ratenzahlung in Verbindung gesetzt und zivilrechtliche Bemühungen zur Abwendung der Stromsperre unterlassen, so ist die darlehensweise Übernahme von Energieschulden durch einstweiligen Rechtsschutz zu versagen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 10.07.2013 geändert.

Der Antrag wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsgegner wendet sich gegen seine Verpflichtung zur Erbringung eines Darlehens für den Ausgleich von Schulden des Antragstellers aus einem Energielieferungsvertrag.

Der am 00.00.1992 geborene Antragsteller bezog bis zur Aufnahme des nach dem BAföG geförderten Besuch einer Abendrealschule Leistungen nach dem SGB II bis einschließlich Januar 2012. Am 07.01.2013 sprach der Antragsteller beim Antragsgegner vor und teilte den Abbruch der Schulausbildung wegen Fehlzeiten mit. Er beabsichtige jedoch, die Ausbildung fortzusetzen und wolle auch einen Antrag auf erneute Bewilligung von BAföG-Leistungen stellen. Am 10.01.2013 beantragte der Antragsteller förmlich Leistungen nach dem SGB II, die überbrückungsweise bis zur Bewilligung des BAföG gezahlt werden sollten. Am 07.02.2013 teilte der Antragsteller mit, er besuche ab dem 04.02.2013 die Abendrealschule wieder.

Mit Bescheiden vom 10.01.2013 und 15.04.2013 bewilligte der Antragsgegner vorläufig Leistungen nach dem SGB II unter Einschluss von Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 01.01.2013 bis 30.06.2013. Mit Bescheid vom 10.06.2013 lehnte der Antragsgegner die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II (endgültig) ab. Mit Bescheid vom 21.06.2013 bewilligte der Antragsgegner Leistungen unter Einschluss von Leistungen für Unterkunft und Heizung darlehensweise für Juni 2013.

Mit Schreiben vom 04.03.2013 beantragte der Antragsteller "erneut" ein Darlehen zur Begleichung von Strom- und Heizkosten. Er legte die Jahresrechnung seines Energielieferanten für den Zeitraum September 2011 bis September 2012 vor, aus der sich eine Nachforderung für Haushaltsstrom und Nachtstrom von 452,18 EUR bzw. zzgl. des aktuell fälligen Abschlages von 123,00 EUR, insgesamt 575,18 EUR, ergibt.

Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 14.03.2013 ab, weil es sich um vor dem Bezug von Leistungen nach dem SGB II entstandene Stromschulden handele. Dieser Bescheid wurde nicht angefochten.

Am 24.04.2013 beantragte der Antragsteller die Überprüfung des Ablehnungsbescheides vom 14.03.2013 nach § 44 SGB X. Er habe seit vier Monaten keinen Strom mehr und benötige Geld, um seine Stromrechnung zu bezahlen. Mit Bescheid vom 30.04.2013 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab. Über den Widerspruch des Antragstellers vom 08.05.2013 gegen diese Entscheidung ist nach Aktenlage bislang nicht entschieden worden.

Am 20.06.2013 hat der Antragsteller beim Sozialgericht beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur Übernahme seiner Stromschulden zu verpflichten. Der Antragsgegner ist dem entgegengetreten, weil der Antragsteller nach § 7 Abs. 5 SGB II grundsätzlich vom Bezug von Leistungen nach diesem Gesetz ausgeschlossen sei und die Gewährung eines Darlehens nach §§ 27 Abs. 5, 22 Abs. 8 SGB II am fehlenden tatsächlichen Bezug von Leistungen nach dem BAföG scheitere.

Auf Nachfrage des Sozialgerichts hat der Energieversorger des Antragstellers mit Schreiben vom 03.07.2013 mitgeteilt, nach vorhergehender Sperrankündigung vom 10.01.2013 sei die Stromversorgung am 17.01.2013 unterbrochen worden. Zum Zeitpunkt der Sperrung sei ein Betrag i.H.v. 876,18 EUR offen gewesen, aktuell betrage die Forderung 1.650,69 EUR. Bei Zahlung per Bareinzahlung bestehe Bereitschaft, den Antragsteller wieder mit Energie zu...

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