Entscheidungsstichwort (Thema)

Erlaubnis der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung nur mit Auflagen. Europarechtkonformität der Arbeitsgenehmigung-EU für polnische Leiharbeitnehmer

 

Leitsatz (amtlich)

Arbeitnehmer aus den EU-Beitrittsstaaten benötigen auch bei Tätigkeiten im Rahmen eines Leiharbeitsverhältnisses trotz der Dienstleistungsfreiheit ihres Arbeitgebers (Verleihers) eine Arbeitsgenehmigung und unterliegen den Regelungen über die Arbeitsgenehmigung.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.05.2010 geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Auflage im Bescheid vom 10.11.2009 um folgenden Satz zu ergänzen: "Diese Pflicht entfällt, wenn ein Leiharbeitnehmer eingesetzt wird, der keiner Arbeitsgenehmigung bedarf." Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat 1/5 der Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine mit einer Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung verbundenen Auflage.

Die Antragstellerin hat ihren Geschäftssitz in L/Polen. Der "Vorstandspräsident" M L ist polnischer Staatsangehöriger. Die Antragstellerin ist in Polen als Arbeitsvermittlungsagentur tätig.

Am 30.07.2009 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin die Erteilung der Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Sie fügte u. a. ein Muster einer "Zusatzvereinbarung" zu einem Arbeitsvertrag bei, aufgrund dessen ein Arbeitnehmer der Antragstellerin anderen Firmen zur Arbeitsleistung überlassen wird und sich verpflichtet, Leistungen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu erbringen (Leiharbeitnehmervereinbarung). Weiterhin fügte sie ein Muster eines "Arbeitnehmerüberlassungsvertrages" bei, aufgrund dessen die Antragstellerin (Verleiher) sich verpflichtet, dem Entleiher Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung zu überlassen.

Nachdem die Antragsgegnerin einige Anmerkungen zu diesen Verträgen gemacht hatte, die von der Antragstellerin umgesetzt worden sind, erteilte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 10.11.2009 der Antragstellerin die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung für die Dauer eines Jahres gerechnet vom Tage nach der Zustellung. Die Antragsgegnerin verband die Erlaubnis mit folgender Auflage:

"Solange die Freizügigkeit der Arbeitnehmer aus den EU-Beitrittsländern eingeschränkt ist, haben Sie in den Personalakten Nachweise aufzunehmen, dass ein in der Bundesrepublik Deutschland eingesetzter Leiharbeitnehmer

- Deutscher im Sinne des Artikels 116 Grundgesetz oder

- Staatsangehöriger eines bisherigen Mitgliedslandes der EU ist oder

- einen Aufenthaltstitel nach § 4 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes, eine Aufenthaltsgestattung oder eine Duldung, die zur Ausübung der Beschäftigung berechtigt oder eine Genehmigung nach § 284 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch besitzt."

Die Antragsgegnerin stützte die Auflage auf § 2 Abs. 2 AÜG. Hiernach könne die Erlaubnis mit Auflagen verbunden werden, um sicher zu stellen, dass keine Tatsachen eintreten, die nach § 3 AÜG die Versagung der Erlaubnis rechtfertigen. Die Erlaubnis sei nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die für die Ausübung der Tätigkeit nach § 1 AÜG erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, weil er u. a. die Vorschriften über die Ausländerbeschäftigung nicht einhält. Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer aus den EU-Beitrittsländern sei eingeschränkt. Daher könnten nur Arbeitnehmer, die

- die deutsche Staatsangehörigkeit,

- die Staatsangehörigkeit eines bisherigen EU-Mitgliedslandes,

- einen Aufenthaltstitel nach § 4 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes,

- eine Aufenthaltsgestattung,

- eine Duldung, die zur Ausübung der Beschäftigung berechtigt oder

- eine Genehmigung nach § 284 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch besitzen

als Leiharbeitnehmer in Deutschland tätig werden. Hieraus ergebe sich die in der Auflage ausgesprochene Dokumentationspflicht.

Im Widerspruchsverfahren meinte die Antragstellerin, die Auflage sei mit der in Art. 49 EG garantierten Dienstleistungsfreiheit nicht vereinbar. Die von der Antragstellerin beabsichtigte Tätigkeit sei in europarechtlicher Hinsicht nicht dem Recht der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, sondern der Dienstleistungsfreiheit zuzuordnen. Jedenfalls sei die angegriffene Auflage mit dem Zusatz "diese Pflicht entfällt, wenn der Leiharbeitnehmer in einem Tätigkeitsbereich eingesetzt wird, für den nach der Beitrittsakte keine Einschränkungen bestehen und der Arbeitnehmer keine Arbeitsgenehmigung nach § 284 Abs. 1 SGB III bedarf" zu versehen. Die Antragstellerin legte zwei Arbeitnehmerüberlassungsverträge (vom 16.10.2009 und vom 20.10.2009) vor, wonach die Arbeitnehmer Aushilfsarbeiten in Gärtnereibetrieben verrichten sollen. Die Arbeitnehmer sollten damit in Dienstleistungssektoren tätig werden, die im Anh...

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