Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Klageverfahren um die Erstattung von Vorverfahrenskosten. keine Anrechnung der im Widerspruchsverfahren entstandenen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr. Auslegung der Anrechnungsregelung in Vorbem 3 Abs 4 RVG-VV

 

Orientierungssatz

1. Bei dem Widerspruchsverfahren gegen einen Ablehnungsbescheid und der Klage auf Erstattung der Kosten für das Widerspruchsverfahren handelt es sich nicht um "denselben Gegenstand" iS der Vorbem 3 Abs 4 S 1 RVG-VV, so dass eine Anrechnung der Geschäftsgebühr in diesem Falle ausscheidet.

2. Bei der isolierten Überprüfung der Kostenentscheidung im Widerspruchsverfahren handelt es sich nicht um denselben Streitgegenstand, weil die inhaltliche Richtigkeit der getroffenen Entscheidung nicht überprüft wird. Prüfungsmaßstab ist allein, ob der Widerspruch erfolgreich war.

3. Die Vorbem 3 Abs 4 RVG-VV ist eng auszulegen und berücksichtigt nicht alle Synergieeffekte, die bei einer Tätigkeit im Verwaltungsverfahren und im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren auftreten können. Sie ist nur in den Konstellationen anwendbar, in denen diese Synergieeffekte typisierend auftreten, weil der Streitgegenstand weitgehend identisch ist und nicht nur Überschneidungen aufweist. Eine solche Konstellation ist bei der unterschiedlichen Zielrichtung von Widerspruch und Klage auf Kostenerstattung nicht gegeben.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 07.02.2019 und der Festsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Köln vom 19.12.2018 geändert. Die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung wird auf 809,20 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Beschwerdeführer begehrt die Gewährung einer höheren Vergütung für seine Tätigkeit als im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beigeordneter Rechtsanwalt in dem Klageverfahren S 19 AS 1774/18. Gegenstand dieses Klageverfahrens war die Frage, ob das beklagte Jobcenter L den vom Beschwerdeführer vertretenen Klägern die Kosten für ein Widerspruchsverfahren zu erstatten hat. Der Beschwerdeführer hatte gegen einen Ablehnungsbescheid vom 07.11.2017, mit dem der Beklagte die Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) abgelehnt hat, am 13.11.2017 Widerspruch eingelegt. Diesen Widerspruch hat der Beklagte nach der Erteilung von Änderungsbescheiden vom 22.12.2017 und vom 12.01.2018 zurückgewiesen und dabei festgestellt, dass die Kosten des Widerspruchsverfahrens nicht zu übernehmen sind, weil der Widerspruch nicht kausal für die Leistungsbewilligung gewesen sei (Widerspruchsbescheid vom 16.04.2018). Kausal für die Leistungsbewilligung sei eine Arbeitsaufnahme gewesen. Mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 26.11.2018 hat das Sozialgericht Köln diese Kostenentscheidung aufgehoben und den Beklagten dazu verurteilt, die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu übernehmen. Der Widerspruch sei erfolgreich gewesen, weil der Beklagte ihm stattgegeben und den Klägern unabhängig von der Beschäftigungsaufnahme ein Leistungsanspruch zugestanden habe. Der Beklagte hat die von den Klägern abgerechneten Kosten für das Widerspruchsverfahren in Höhe von 487,90 Euro (Geschäftsgebühr in Höhe von 300,00 Euro, Erhöhungsgebühr in Höhe von 90,00 Euro, Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 Euro und Umsatzsteuer in Höhe von 77,90 Euro) am 28.01.2019 angewiesen.

In seinem Antrag auf Festsetzung der der PKH-Vergütung vom 07.12.2018 hat der Beschwerdeführer eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG) in Höhe von 300,00 Euro, eine 3/10 Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG in Höhe von 90,00 Euro, eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG in Höhe von 270,00 Euro, eine Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 Euro und die anfallende Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG in Höhe von 129,20 Euro, insgesamt eine Vergütung in Höhe von 809,20 Euro geltend gemacht.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat lediglich einen Betrag von 597,38 Euro festgesetzt (Beschluss vom 19.12.2018). Der Beschwerdeführer sei bereits im Widerspruchsverfahren tätig geworden. Die Verfahrensgebühr sei daher um 175,00 Euro zu kürzen. Der Beschwerdeführer hat hiergegen am 07.01.2019 Erinnerung eingelegt. Das Sozialgericht hat die Erinnerung mit Beschluss vom 07.02.2019 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 600,95 Euro festgesetzt wird. Es sei ein offensichtlicher Rechenfehler zu korrigieren. Im Übrigen sei der Urkundsbeamte zu Recht davon ausgegangen, dass ein Betrag in Höhe von 175,00 Euro in Abzug zu bringen sei. Dies ergebe sich aus Teil 3, Vorbemerkung (Vorb.) 3 Abs. 4 VV RVG. Danach werde eine Geschäftsgebühr wegen desselben Gegenstandes zur Hälfte, bei Beitragsrahmengebühren maximal in Höhe von 175,00 Euro, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet. Maßgeblich sei ...

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