Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch. Ausländer ohne Aufenthaltsberechtigung. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

§ 1 Abs 3 BKGG idF des SKWPG 1 verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.02.1998; Aktenzeichen B 2 U 22/97 R)

 

Tatbestand

Die ausländische Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung von Kindergeld (Kg) für die Zeit ab Januar 1994.

Die Klägerin, libanesische Staatsangehörige, reiste 1988 in die Bundesrepublik Deutschland ein und hielt sich hier aufgrund zeitlich begrenzter, auf Niedersächsische Bleiberechtsregelungen gestützte Aufenthaltsbefugnisse auf. Bis Dezember 1993 bezog sie laufend Kg und Kg-Zuschlag. Mit Bescheid vom Dezember 1993 oder Januar 1994 idF des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 1994 hob die Beklagte die Bewilligung von Kg und Kg-Zuschlag mit Ablauf des Monats Dezember 1993 gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X für die Zukunft auf. Zur Begründung verwies sie auf die zum 1. Januar 1994 in Kraft getretene Änderung des § 1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) durch das 1. SKWPG, wonach Kg an Ausländer nur noch gezahlt wird, wenn diese im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder -erlaubnis sind. Den nicht näher begründeten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 1994 zurück.

Das Sozialgericht (SG) Oldenburg hat die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage mit Urteil vom 11. November 1994 abgewiesen und sich zur Begründung der Ansicht der Beklagten angeschlossen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Neuregelung des § 1 BKGG beständen nicht. Im Rahmen der gewährenden Staatstätigkeit habe der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum, der nur am - vorliegend nicht überschrittenen - Willkürverbot seine Grenze finde. Artikel 14 Abs 1 Grundgesetz (GG) sei nicht verletzt.

Gegen das - am 29. November 1994 zugestellte - Urteil hat die Klägerin am 29. Dezember 1994 Berufung eingelegt. Sie sieht durch die Neuregelung des § 1 Abs 3 BKGG in der hier vorgenommenen Auslegung Artikel 3 Abs 1 GG verletzt, weil die Klägerin aufgrund der Niedersächsischen Bleiberechtsregelungen mit ihrer Aufenthaltsbefugnis einen genauso gefestigten Aufenthaltstitel habe, wie ein Ausländer mit Aufenthaltsberechtigung oder -erlaubnis.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 11. November 1994 und den Bescheid der Beklagten vom Dezember 1993/Januar 1994 idF des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 1994 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats (ua Urteil vom 06.09.1994 - Az.: L 3 Kg 18/94) sowie des Bundessozialgerichts (Urteil vom 31.10.1995 - Az.: 10 RKg 23/94 - SozR 3-5870 § 1 Nr 6).

Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand des Verfahrens gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozeß- und Beiakten ergänzend Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die Beklagte und das SG haben zutreffend entschieden, daß der Klägerin jedenfalls ab Februar 1994 Kg bzw Kg-Zuschlag nicht mehr zustehen. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 153 Abs 2 SGG).

Im Berufungsverfahren haben sich neue Gesichtspunkte, die eine der Klägerin günstigere Entscheidung rechtfertigen könnten, nicht ergeben. Die in den Vordergrund des Berufungsvorbringens gestellte Rüge eines Verstoßes des § 1 Abs 3 BKGG in der hier maßgebenden Fassung des 1. SKWPG mit der von der Beklagten und dem SG vorgenommenen Auslegung gegen Art 3 Abs 1 GG greift nicht. Auch vor dem Gebot dieser Grundrechtsvorschrift war der Gesetzgeber nicht gehalten, der Klägerin ebenso Kg zu gewähren, wie Ausländern mit Aufenthaltsberechtigung oder -erlaubnis.

Mit der Neuregelung wollte der Gesetzgeber das Kg auf solche Personen beschränken, von denen zu erwarten ist, daß sie auf Dauer in Deutschland bleiben. Dies aber ist im wesentlichen nur bei den Ausländern der Fall, die im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung und -erlaubnis sind (BSG-Urteil vom 31.10.1995 - Az.: 10 RKg 23/94 - SozR 3-5870 § 1 Nr 6 S 18 unter Hinweis auf BT-Drucks 12/5502 S 44 zu Artikel 5 zu Nr 1). Die vom Gesetzgeber gewählte Differenzierung und Zielsetzung ist mit dem Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs 1 GG vereinbar, auch erscheint die Neuregelung zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet. Wie das BSG (aaO) zutreffend ausgeführt hat, ist es insoweit unerheblich, ob die Klägerin als Inhaberin einer Aufenthaltsbefugnis aufgrund eines Bleiberechtserlasses ebenfalls über einen verfestigten Aufenthaltstitel verfügt. Denn nach der Systematik des Ausländergesetzes ist die Aufenthaltsbefugnis iS des § 30 Ausländergesetz (AuslG) gegenüber der Aufenthaltsberechtigung und -erlaubnis ein Aufenthaltstitel minderen Ranges. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, daß sic...

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