Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitserlaubnis- bzw Arbeitsgenehmigungsfreiheit. grenzüberschreitender Verkehr. polnischer Kraftfahrer. unveränderte Weiterbeschäftigung seit 1992

 

Orientierungssatz

1. Das fahrende Personal im grenzüberschreitenden Verkehr, das von einem Arbeitgeber mit Sitz im Inland bereits vor dem 1.9.1993 beschäftigt wurde, bedurfte nach der bis 31.8.1993 geltenden Fassung des § 9 Nr 2 ArbErlaubV keiner Arbeitserlaubnis und ist bei unveränderter Beschäftigung über diesen Zeitpunkt hinaus weiterhin arbeitserlaubnisfrei geblieben (vgl BSG vom 10.3.1994 - 7 RAr 44/93 = SozR 3-4210 § 9 Nr 1 = BSGE 74, 90).

2. An diesem Rechtszustand hat auch die zweite Änderung des § 9 Nr 2 ArbErlaubV und das Inkrafttreten des § 9 Nr 3 ArGV bei unveränderter Weiterbeschäftigung des Personals nichts geändert.

3. Die Rechtsprechung des BSG (aao), die sich auf im Inland ansässige Arbeitgeber bezieht, ist auch anzuwenden, wenn die Beschäftigung des Personals formalrechtlich bei einer verselbständigten GmbH mit Sitz im Ausland erfolgt, deren Geschicke jedoch vom alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer bestimmt werden, der ein im Inland ansässiges Speditionsunternehmen betreibt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 02.08.2001; Aktenzeichen B 7 AL 18/00 R)

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft die Frage der arbeitserlaubnisfreien Beschäftigung von 14 polnischen Arbeitskräften im grenzüberschreitenden Verkehr zwischen Polen und Deutschland.

Der Kläger ist als Spediteur alleiniger Inhaber der Firma J T D mit dem Firmensitz in H. Er ist alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der am 17. Dezember 1992 im Handelsregister in P (Polen) eingetragenen D-P SP.ZPO (Gesellschaft mit beschränkter Haftung), deren Gegenstand die Leistung von Transport- und Speditionsdiensten im In- und Ausland, Führung des Zolllagers, Tätigkeiten in dem vollen mit dem Transport und der Spedition gebundenen Bereich und die Führung der technischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Beratung im Bereich des Gegenstandes des Unternehmens ist. Bei dieser GmbH sind 14 polnische Staatsangehörige, die in Polen wohnen, als Fahrer angestellt. Sie sind im grenzüberschreitenden Verkehr zwischen Polen und Deutschland auf in Deutschland zugelassenen Lkw des Klägers tätig. Sämtliche Arbeitnehmer sind 1992 eingestellt worden.

Die polnischen Arbeitnehmer hatten eine von der Beklagten ausgestellte Bescheinigung, wonach ihnen bestätigt worden war, nach § 9 Nr 2 der Arbeitserlaubnisverordnung (AEVO) für ihre Tätigkeit im grenzüberschreitenden Verkehr eine Arbeitserlaubnis nicht zu benötigen. Am 30. Oktober 1996 teilte die Beklagte dem Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in S mit, es beständen "gegen die Erteilung der Arbeitserlaubnis" für die polnischen Kraftfahrer zwar keine Bedenken, diese Stellungnahme habe aber nur Gültigkeit bis zum 30. April 1997. Hintergrund war die Änderung des § 9 Nr 2 AEVO durch Art 1 Nr 2a der Verordnung zur Änderung des Arbeitserlaubnisrechts vom 30. September 1996 (BGBl I, 1491). Diese VO hat die Voraussetzung des mit Wirkung vom 1. September 1993 eingeführten Befreiungstatbestandes des § 9 Nr 2 AEVO "bei Arbeitgebern mit Sitz im Ausland" durch den Zusatz ergänzt "sofern das Fahrzeug im Sitzstaat des Arbeitgebers zugelassen ist" (§ 9 Nr 2a nF AEVO). Hierzu hat die Beklagte mit einem Erlass angeordnet, dass ab 1. November 1996 längstens für sechs Monate eine arbeitserlaubnisfreie Beschäftigung zu billigen sei. Nach Bekanntgabe der geänderten Rechtslage machte der Kläger geltend, er könne nicht kurzfristig Ersatz für die polnischen Kraftfahrer beschaffen. Sein Betrieb sei in der Existenz gefährdet, wenn er die polnischen Kraftfahrer nicht weiter beschäftigen könne.

Mit der am 11. April 1997 beim Sozialgericht (SG) eingegangenen Feststellungsklage hat der Kläger darauf hingewiesen, er stelle der GmbH in Polen aufgrund eines Nutzungsüberlassungsvertrages seine Lkw zur Verfügung. Er sei auf diese Arbeitnehmer angewiesen. Sie hätten als einzige fundierte Kenntnisse im grenzüberschreitenden Verkehr, die erforderlichen Sprachkenntnisse und auch die Kenntnisse in der Möbelmontage. Seit Ostern 1996 habe er sich um gleichwertige deutsche Arbeitnehmer bemüht, mit Hilfe der Beklagten habe eine einzige Arbeitskraft eingestellt werden können. Liefen die Arbeitserlaubnisse aus, sei sein Unternehmen in der Existenz gefährdet. Eine Beeinträchtigung der Allgemeinheit liege nicht darin, dass er seine polnischen Arbeitnehmer weiter beschäftigen könne, die zwar geringeren Lohn, aber höhere Spesen erhielten als deutsche Fahrer.

Das SG Osnabrück hat festgestellt, dass die Beschäftigung der im Einzelnen benannten 14 Arbeitnehmer auch über den 30. April 1997 hinaus als arbeitserlaubnisfrei anzusehen sei (Urteil vom 14. April 1999). Es hat die Klage für zulässig erachtet, obwohl der Kläger formal nicht Arbeitgeber der Kraftfahrer sei. Denn die in Polen ansässige GmbH habe einen Nutzungsvertrag mit dem Kläger dergestalt, dass die dem Kläger gehörenden Lkw vo...

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