Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Erstattungspflicht. Arbeitgeber. befristetes Beschäftigungsverhältnis. Mitteilung über die Nichtverlängerung. Verantwortungsbereich

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Erstattungspflicht nach § 128 Abs 1 AFG tritt ein, wenn den Arbeitgeber eine besondere Verantwortung für den Eintritt der Arbeitslosigkeit des älteren Arbeitnehmers und damit die Gewährung der zu erstattenden Leistung trifft (vgl BVerfG vom 23.1.1990 - 1 BvL 44/86 = BVerfGE 81, 156) und wenn somit die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses in den Verantwortungsbereich des Arbeitgebers fällt.

2. Dies ist regelmäßig nicht anzunehmen bei Beschäftigungsverhältnissen, die von vornherein befristet sind.

3. Dies gilt auch dann, wenn die tatsächliche Beendigung sich aus einer Nichtverlängerungsmitteilung des Arbeitgebers ergibt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 10.08.2000; Aktenzeichen B 11 AL 93/99 R)

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die Klägerin der Beklagten Arbeitslosengeld (Alg) sowie Beiträge zur Renten-, Kranken- und sozialen Pflegeversicherung für die Zeit vom 1. August 1995 bis zum 31. Juli 1996 erstatten muss, welche die Beklagte für den bei der Klägerin beschäftigt gewesenen D E (F.) gezahlt hat.

Der am 29. Oktober 1934 geborene F. war bei der Klägerin vom 1. Juni 1984 bis zum 31. Juli 1995 als Theatermaler und Kascheur beitragspflichtig beschäftigt. Seine Steuerkarte wies 1995 die Steuerklasse III ohne Kinderfreibeträge aus. F. meldete sich am 17. Juli 1995 arbeitslos und beantragte am 8. August 1995 Alg. Die Arbeitsbescheinigung wies eine "Kündigung" des bis zum 31. Juli 1995 befristeten Beschäftigungsverhältnisses zum 31. Juli 1995 durch die Klägerin mit Abwicklungsvertrag aus und rechnete die Monate Februar 1995 bis Juli 1995 ab. Mit Wirkung vom 1. August 1995 erhielt F. Alg für 832 Tage (Bescheid vom 24. August 1995: Leistungsgruppe C/0; Bemessungsentgelt 890,-- DM; Nettolohnersatzquote: 60 %; wöchentliche Leistung 363,60 DM; Änderungsbescheid vom 8. Januar 1996 ab 1. Januar 1996: wöchentliche Leistung 393,60 DM; Dynamisierungsbescheid vom 5. August 1996: ab 1. August 1996 Bemessungsentgelt 920,-- DM; wöchentliche Leistung 402,60 DM). Ab 1. August 1996 bezieht F. das gesetzliche Altersruhegeld durch die B (...), die der Beklagten die von ihr zunächst noch erbrachten Leistungen für die Zeit vom 1. August 1996 bis 23. November 1996 erstattet hat.

Am 22. Januar 1996 hörte die Beklagte die Klägerin zu der Erstattungspflicht nach § 128 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) an und erläuterte deren Ausnahmen. Mit Grundlagenbescheid vom 20. August 1996 stellte die Beklagte die Erstattungspflicht der Klägerin ab 1. August 1995 fest. In ihrem Widerspruch wies die Klägerin darauf hin, sie sei eine GmbH, deren Gesellschafter lediglich die Stadt und der Landkreis H seien. Die Zuschüsse überstiegen 50 % der eigenen Haushaltsmittel, deshalb könne die Klägerin zur Erstattung nicht herangezogen werden. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 30. April 1997).

Den Widerspruchsbescheid hat die Klägerin mit der am 30. Mai 1997 eingegangenen Klage angegriffen. Zur Begründung hat sie sich darauf bezogen, die F. erteilte Nichtverlängerungsmitteilung sei keine Kündigung im Sinne des § 128 AFG. Sie sei aus Gründen des Intendantenwechsels erfolgt. Es komme auf das Beschäftigungsverhältnisses des F. der "Normalvertrag Solo" (NV Solo) zur Anwendung. Der persönliche Anwendungsbereich der Nichtverlängerungsmitteilung zu dem Beschäftigungsverhältnis ergebe sich aus dem Tarifvertrag über die Mitteilungspflicht (TVM). Das Anhörungsverfahren mit F. habe die Klägerin ordnungsgemäß durchgeführt.

In dem NV Solo zwischen dem Deutschen B und der Genossenschaft deutscher B vom 1. Mai 1924, zuletzt geändert durch den Tarifvertrag vom 9. Juni 1994, in Verbindung mit dem Tarifvertrag über die Weitergeltung des Normalvertrages Solo vom 8. Dezember 1970, zuletzt geändert durch den Tarifvertrag vom 12. Juli 1993 heißt es unter anderem:

§ 1

1.

Die Bestimmungen dieses Vertrages beziehen sich nur auf die von Unternehmern stehender Theater mit Bühnenmitgliedern abzuschließenden Dienstverträge.

2.

Unter Bühnenmitgliedern im Sinne dieses Vertrages sind Einzeldarsteller, Kapellmeister, Spielleiter, Dramaturgen, Singchordirektoren, Tanzmeister, Repetitoren, Inspizienten und Souffleure sowie Personen in ähnlicher Stellung zu verstehen.

§ 2

1.

In dem Dienstvertrag müssen angegeben sein:

a)

bei darstellenden Mitgliedern die Kunstgattung und das Kunstfach ...;

b)

das oder die Theater, an welchem das Mitglied Dienste zu leisten hat;

c)

die Zeit, für die der Dienstvertrag abgeschlossen wird sowie die Kalendertage, an denen das Dienstverhältnis beginnt und endet ...

In dem TVM vom 23. November 1977 in der Fassung der Tarifverträge vom 9. Juni 1980, 22. Januar 1991 und 18. Juni 1991 heißt es:

Präambel

Dem langjährigen Bühnenbrauch entsprechend, dem Vertragspartner rechtzeitig vor Beendigung eines befristeten Arbeitsvertrages die Absicht mi...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge